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Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Titel: Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Darnell
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war Blutdurst. Und er drohte den letzten Funken Menschlichkeit in mir zu zerstören.
    Vielleicht war genau meine Menschlichkeit das Problem. Dad zufolge konnte ich diese Tortur nur auf eine Art beenden. Ich musste meine Gefühle unter Kontrolle bringen.
    Aber konnte ich der Erklärung eines früheren Ratsmitglieds vertrauen?
    „Sav, was du auch vorhast, tu es nicht“, bat Tristan leise. „Zieh dich nicht von mir zurück. Mir ist egal, was sie sagen. Was zwischen uns ist, ist echt. Das weißt du.“
    Traurig lächelte ich ihn an. Meine Entscheidung war schon gefallen. „Tristan, es tut mir leid. Alles. Aber ich verspreche, dass es bald vorbei sein wird.“
    Dann schloss ich die Augen.
    Ich bin eine Eisprinzessin, dachte ich und suchte nach dieser Maske. Die Kälte in mir antwortete und bedeckte gierig mein Gesicht. Aber dieses Mal reichte das nicht. Sie breitete sich weiter aus, straffte meine Kopfhaut, kroch über Hals und Oberkörper und überzog meine Arme und Beine mit Gänsehaut.
    Oh nein. Ich hatte es übertrieben, es war zu weit gegangen. Ich ertrank in der Kälte, die mich von Kopf bis Fuß betäubte.
    Aber dann begriff ich … diese Taubheit war genau das, was ich jetzt brauchte. Denn wenn ich so abgestumpft war, musste ich nichtgegen meinen Blutdurst ankämpfen. Oder gegen irgendein anderes Gefühl. Und damit hatte nicht der Blutdurst die Oberhand, sondern ich.
    Also gab ich auf und überließ mich meiner Vampirseite, die schon immer auf mich gewartet hatte. Ich begrüßte die betäubende Kälte, umfing sie, tötete mit ihr die Gefühle ab, die meine Selbstbeherrschung zerstören wollten und das brennende Verlangen nach Tristans Blut anfachten.
    Erst als ich mich in diesen imaginären Eisblock gehüllt hatte, verblasste der Blutdurst und mit ihm alle anderen Gefühle. Endlich konnte ich Tristan ohne Gefahr in die Augen sehen.
    „Ich liebe dich.“ In seiner Stimme klang eine schreckliche Mischung aus Kapitulation und Flehen mit. Aber sie konnte mich nicht mehr erreichen. Ich war hinter meiner Eismauer in Sicherheit.
    Warum hatte ich mich so lange gegen meine Vampirseite gewehrt? Gefühle waren die echte Gefahr. Sie verletzten mich, lenkten mich ab und brachten mich um meine Selbstbeherrschung. Die Kälte brachte wunderbare Linderung. Sie bot mir Frieden und Ruhe.
    Ich lehnte mich gegen die Wand, die mir jetzt wärmer als mein Körper vorkam, legte eine Wange auf die Knie und blickte auf die verrostete Metalltür. „Keine Sorge. Bald lassen sie uns hier raus.“
    Durch die Glasscheibe drang Enttäuschung, aber auch Erleichterung. Trotzdem warteten die Ratsmitglieder noch. Darauf, dass ich doch noch zerbrach?
    Ich schloss die Augen und ließ mich auf Wogen eisiger Kälte in mir treiben. Es war seltsam. Als würde man im Winter im eisigen Meer schwimmen, nachdem der erste Schock nachgelassen hatte. Fühlte es sich so an, an Unterkühlung zu sterben? War es eine tröstliche Erlösung vom Schmerz, ein fast wohliges Loslassen, noch vor dem Tod? Wenn ja, war es vielleicht keine schlechte Art zu sterben. Tief in mir sagte etwas, ein wichtiger Teil von mir würde wirklich sterben. Aber der Rest fühlte sich wunderbar taub an.
    Ich wagte sogar, kurz durch die Nase einzuatmen. Tristans Blut duftete immer noch, aber der Geruch drang nicht mehr durch das Eis und konnte keine Gefühle auslösen. Ich hob den Kopf undlächelte. Ich hatte es geschafft. Ich hatte die Prüfung bestanden, hatte der Versuchung widerstanden, den Jungen zu töten, den ich liebte … und dafür musste ich nur akzeptieren, was ich längst war.
    Offenbar hatte der Rat auf dieses Luftholen gewartet, denn wenig später wurde die Tür geöffnet, und der Wächter kehrte zurück, immer noch ein Handgelenk auf die Nase gepresst. Er sah mich an. Dieses Mal gelang es ihm nicht, keine Gefühle zu zeigen. Er sah mich mit seinen silbernen Augen ungläubig an. „Sie warten auf dich.“
    Ich stand auf, ohne Tristan anzusehen.
    Als ich wieder die Ratskammer betrat, begleitete mich diese leere Stille. Sie ließ mich klarer denken und besser verstehen. Ich merkte, dass ich keine Angst mehr vor den Ratsmitgliedern hatte. Warum auch? Gehörte ich nicht zu ihnen, oder zumindest doch fast? Und hatte ich nicht genau das immer gewollt – irgendwo dazuzugehören? Fast hätte ich laut gelacht. Wie dumm von mir, immer das zu wollen, was ich nicht haben konnte, wo doch eine ganze Welt auf mich wartete. Dafür musste ich nur aufhören, gegen meine Natur anzukämpfen.

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