Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Ich war noch nie normal gewesen und würde es auch nie sein. Ich wurde zur Vampirin. Es ließ sich nicht mehr abstreiten, und ich konnte nichts daran ändern. Also sollte ich vielleicht endlich lernen, damit zu leben.
„Beeindruckend“, kommentierte Caravass meine Rückkehr.
Mit einem leichten Nicken nahm ich das Kompliment an. Ach, wie wunderbar, vor dem Rat zu stehen und keine Angst mehr zu haben! Und da mein Verstand nicht mehr von meinen eigenen Gefühlen vernebelt wurde, konnte ich mich auf die Gefühle der anderen konzentrieren. Zur überwältigenden Mehrheit waren sie erleichtert. Aber warum? Weil ich ihre Prüfung bestanden und bewiesen hatte, dass ich ihren Friedensvertrag nicht gefährden würde?
Hatten sie wirklich so große Angst vor dem gehabt, was ich tun könnte?
Während ich die Ratsmitglieder ansah, versuchte ich, mich in ihre Lage zu versetzen. Wie war es wohl, über Unsterbliche auf der ganzen Welt zu herrschen, von denen jeder stark und blutdürstig war? Sein ewiges Leben lang zu versuchen, diese Gesellschaft vorder Welt geheim zu halten und den Frieden mit dem genauso mächtigen Clann zu wahren? Und dann ein Mischlingswesen wie mich vor sich zu haben, das helfen oder uns allen den Untergang bringen konnte?
Um der Katastrophe, die ihnen drohte, zu entgehen, hatten sie mich sicher direkt nach meiner Geburt töten wollen, wenn nicht schon davor. Trotzdem hatten sie eingewilligt, mich leben zu lassen und zu sehen, wie ich mich entwickelte. Und wie hatte ich ihnen gedankt, dass sie dieses enorme Risiko eingegangen waren? Ich hatte gedroht, sie an die Menschen zu verraten, hatte mich monatelang mit dem zukünftigen Anführer des Clanns getroffen und mich sogar geweigert, ihnen direkt von meinen Veränderungen zu berichten.
Sicher benutzten sie manchmal mittelalterliche Methoden. Sie hätten Tristan nicht entführen dürfen. Andererseits hätten wir auch nicht monatelang die Regeln brechen dürfen. Also war Dad vielleicht nicht der einzige Vampir, den ich falsch verstanden hatte.
„Wir haben unsere Entscheidung getroffen“, sagte Caravass. „Scheinbar hast du deinen Blutdurst unter Kontrolle. Jedenfalls im Moment. Du darfst gehen, aber unter ein paar Bedingungen.“
Fragend zog ich eine Augenbraue hoch.
„Du musst von deinem Vater die Regeln und Sitten der Vampire lernen.“
„Natürlich.“ Ich würde alle Hilfe brauchen, die ich bekommen konnte.
„Du wirst jedes halbe Jahr hierher zurückkehren und dich Prüfungen unterziehen. Wir wollen deine Entwicklung als Vampirin verfolgen und deine magischen Kräfte beobachten.“
Jetzt zog ich beide Augenbrauen hoch. „Prüfungen?“
Caravass verzog den Mund. „Alle weiteren finden ohne Nachfahren statt.“
Ich nickte zustimmend.
„Und du darfst dich nicht mehr außerhalb der Schule mit dem Hexenjungen treffen.“ Caravass deutete mit dem Kopf auf das Fenster.
Aus den Augenwinkeln sah ich kurz zu Tristan. Er ließ dieSchultern hängen und blickte finster und gequält drein.
„Er hat uns nur nicht vernichtet, weil wir ihn unter Drogen gesetzt haben“, warnte Caravass. „Er stellt für jeden in unserer Welt eine Gefahr dar. Auch für dich.“
War es nicht umgekehrt? Waren nicht wir Vampire die Gefahr? „Also wollen Sie ihn immer noch gehen lassen?“ Durch die Schichten aus imaginärem Eis, die mich umhüllten, zog sich ein winziger Riss.
„Dein Vater hat einen klugen Einwand vorgebracht. Falls diesem Nachfahren etwas geschieht, würde es den Frieden zwischen uns und dem Clann zerstören. Aber du darfst nicht mehr mit ihm allein sein. Wir können nicht riskieren, dass du in seiner Nähe die Kontrolle verlierst und den Friedensvertrag ganz allein zerstörst.“
Ich wollte schon die Stirn runzeln, verkniff es mir aber. Nein, ich würde nicht darüber nachdenken. Ich wusste schon, was ich tun musste. „Einverstanden. Aber … bekomme ich ein paar Tage Zeit, um es auf meine Art zu regeln?“
Schweigen machte sich breit, während die Ratsmitglieder telepathisch beratschlagten. Dann nickte Caravass. „Bis es so weit ist, stehst du unter der Aufsicht deines Vaters.“
„Danke.“
„Es war sehr … aufschlussreich, dich kennenzulernen.“ Caravass nickte dem Wächter zu, der uns die Tür öffnete. „Ich hoffe, dass wir im Laufe der Zeit viel über dich und deine Entwicklungen erfahren.“
Ich nickte ihm knapp zu. Dann folgte ich Dad aus der Kammer.
Während der Wächter den Verhörraum betrat, warteten wir in dem feuchtkalten
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