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Herzenhören

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Titel: Herzenhören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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»Wert des geistigen Eigentums« erzählte, fielen mir U Bas erste Sätze wieder ein. Wort für Wort. »Ich meine es ernst«, war er nach meinem Lachen unbeirrt fortgefahren. »Ich spreche von der Liebe, die Blinde zu Sehenden macht. Von der Liebe, die stärker ist als die Angst. Ich spreche von der Liebe, die dem Leben einen Sinn einhaucht …«
    Nein, hatte ich ihm irgendwann geantwortet. Nein, daran glaubte ich nicht.
    In den folgenden Tagen war ich von ihm eines Besseren belehrt worden. Und jetzt? Fast zehn Jahre später? Glaubte ich noch an eine Kraft, die Blinde zu Sehenden macht? Würde ich in diesem Kreis jemanden überzeugen können, dass der Mensch über Eigensucht triumphieren kann? Sie würden mich auslachen.
    »Julia.« Mulligan zerrte mich zurück nach Manhattan. »Du bist dran.«
    Ich nickte ihm zu, warf einen hilflosen Blick auf meine Notizen, wollte mit ein paar Standardsätzen beginnen, als mich ein zaghaftes Flüstern unterbrach.
    Ich stockte.
    Wer bist du?
    Hingehaucht und doch nicht zu überhören.
    Wer bist du?
    Eine Frauenstimme. Immer noch leise, aber klar und deutlich.
    Ich schaute über meine rechte Schulter, um zu sehen, wer mich mit so einer Frage ausgerechnet in diesem Moment unterbrach. Niemand.
    Wo mochte sie sonst herkommen?
    Wer bist du?
    Ich drehte mich unwillkürlich nach links. Nichts. Ein Flüstern aus dem Nirgendwo.
    Ein warmer Wind spielte mit meinen Haaren, die Sonne stand fast senkrecht am Himmel und blendete. Ich stand im Schatten eines Flugzeugrumpfes, hielt mir eine Hand über die Augen und betrachtete meine Umgebung.
    Jetzt spürte ich, wie die Strapazen, meine Erschöpfung und Müdigkeit mit jedem Schritt ein wenig mehr von mir abfielen. Die Aufregung war zu groß. Ich konnte es kaum mehr erwarten, meinen Bruder wiederzusehen. Mit seiner Hilfe würde ich dem Schicksal der Stimme in mir auf die Spur kommen.
    Vor dem Flughafen war nichts los, lediglich ein alter, zerbeulter Toyota wartete mit heruntergekurbelten Fenstern auf einem sandigen Platz vor einer Bretterbude. Hinter dem Lenkrad saß der Fahrer und schlief. Auf die Tür hatte jemand mit schwarzer Farbe das Wort Taxi gemalt. Ich klopfte zaghaft gegen das Blech. Der Fahrer rührte sich nicht. Ein zweites Klopfen, kräftiger. Er hob den Kopf und blickte mich aus verschlafenen Augen an.
    »Können Sie mich nach Kalaw bringen?«
    Der Mann lächelte freundlich, gähnte und streckte sich. Er stieg aus, band sich seinen Longy neu, öffnete mit einem Schraubenzieher den Kofferraum, verstaute meinen Rucksack, versuchte die Haube trotz des kaputten Schlosses zu schließen, und als das nicht gelang, nahm er einen Draht zu Hilfe, den er durch ein Loch, das der Rost in das Metall gefressen hatte, zog und um die Stoßstange wickelte. Er griff von außen durch das Fenster und machte mir die Tür auf. Die Sprungfedern zeichneten tiefe Kreise in das abgewetzte Polster. Vorne gab es weder Armaturen noch eine Verkleidung, sondern nur ein wildes Durcheinander von schwarzen, gelben und roten Kabeln und Drähten.
    Der Fahrtwind war kühl und trocken. Ich versuchte, ein Fenster hochzukurbeln, aber an beiden Seiten fehlten die Griffe.
    Ich spürte, wie mich der Fahrer durch den Rückspiegel beobachtete.
    »Ist Ihnen kalt, Miss?«
    »Ein wenig«, erwiderte ich.
    Er nickte. Für ein paar Sekunden verlangsamte er das Tempo, nur um es nach der nächsten Kurve wieder aufzunehmen.
    »Wohin darf ich Sie fahren in Kalaw, Miss?«
    »Gibt es das Kalaw Hotel noch?«
    »Selbstverständlich.«
    »Dann dorthin.«
    Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Er wackelte leicht mit dem Kopf und lächelte. Seine Zähne und Lippen waren vom Kauen der Betelnüsse blutrot gefärbt. »Wenn Miss es wünscht, könnte ich Ihnen noch andere Hotels empfehlen.«
    »Was spricht gegen das Kalaw Hotel?«
    Er schwieg einen Moment. »Nichts. Es ist nur so, Miss, dass wir Einheimischen dort nicht gern übernachten würden.«
    »Warum nicht?«
    »Es heißt, dort gäbe es Gespenster.«
    Ich hätte es ahnen können. »Was für Gespenster?«, fragte ich leicht seufzend.
    »Oh, das ist eine sehr traurige Geschichte. Das Hotel hat während des Krieges als Lazarett gedient. Unglücklicherweise sind dort einige Engländer verstorben. Ihre Geister sollen noch immer im Haus herumirren.«
    »Ich glaube nicht an Gespenster. Oder haben Sie schon einmal eines gesehen?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Sehen Sie.«
    »Ich übernachte ja auch nicht im Kalaw Hotel.« Er wackelte wieder mit dem

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