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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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zu sprechen.«
    Es war nicht einfach. Es gelang ihm nicht immer, ihr dabei in die Augen zu sehen. Er begann mit den Sekunden des Absturzes, ging weiter zu den Stunden unter den Messern der Chirurgen und zu dem Bangen um das Ergebnis der Operation mit der schließlich (damals) niederschmetternden Nachricht, mit der er längst zu leben gelernt hatte. Ein Leben ohne eigene Kinder und mit einer Sexualität, die auf Knopfdruck funktionierte und doch nichts anderes war als Erfüllung ohne Bedürfnis, als Wunsch ohne Erfüllung.
    Sie hatte ihm schweigend zugehört.
    »Und jetzt«, sagte er, »mache ich dir einfach noch mal einen altmodischen Heiratsantrag. Und wenn du nein sagst, dann nehme ich dich mit nach Hamburg und kümmere mich um dich, wie ich es für einen Freund auch tun würde.«
    Sie lächelte, legte ihm ihren Finger auf die Lippen. »Ich bleibe bei dir. Fahr los. Und nach ein paar Kilometern werde ich dich bitten anzuhalten, damit ich dir ein Geständnis machen kann. Ich muß mir noch die richtigen Worte überlegen.«
    »Ist das ein vorläufiges Ja?«
    Sie nickte.
    Er startete den Wagen und wendete auf der Straße.
    »Was machst du?«
    »Unter diesen Umständen fahre ich zurück.«
    »Ich habe doch ja gesagt.«
    »Ja. Und ich muß jetzt ein Versprechen halten. Keine Angst.«
    Er fuhr in den Ort hinein, und Katharina rutschte tief in den Sitz. »Du bist verrückt.«
    Auf der Straße war noch immer niemand zu sehen. Das Dorf wirkte wie ausgestorben. Selbst die Gastwirtschaft schien geschlossen. Er parkte an der Seite des Pfarrhauses. »Warte. Oder willst du mitkommen?«
    »Nein, nein.« Sie drückte sich tief in die Polster. »Ich will niemanden mehr sehen.«
    Er stieg aus, ging zum Eingang des Brunnens. Er schob den Riegel zur Seite und öffnete die schwere Metalltür. Er stieg die Treppen hinunter bis zur Plattform. Er betrachtete die Hebel der Maschine und überlegte, wie die einfache Melodie gewesen war, die seine Mutter ihn als kleinen Jungen auf dem Klavier gelehrt hatte. Er hatte sie nicht vergessen, nur an den Text erinnerte er sich nicht mehr. Er begann die Hebel zu ziehen, doch schon der zweite Ton mischte sich mit dem ersten, brachte weitere Bleche zum Klingen. Ein ohrenbetäubender Lärm entstand, der an- und abschwoll, als wäre ein Sturm entfesselt, der ständig seine Richtung wechselte, als würden Wellen gegen den Fels branden, wieder und wieder, und die Küste in weiße Gischt hüllen, in Nebel und knatternde Segel. Und in den Aufruhr der Gewalten mischten sich die klagenden Schreie erwachter Ungeheuer. Die Erde bebte.
    Es nahm kein Ende, selbst als er die Hebel nicht mehr bediente.
    Er stieg wieder hoch ans Licht, war geblendet, beschattete die Augen mit der Hand und sah die schweigende Mauer der Dorfbewohner, bewaffnet mit Knüppeln, Harken und Forken.
    Jakob stand ihnen gegenüber, und plötzlich wußte er, wie der Text zu der Melodie gelautet hatte. Es war ein deutsches Lied gewesen:
    Den Bauern gehört die Erde,
Den Piraten gehören die Meere,
Den Räubern gehören die Wälder,
Dem Kaufmann gehören die Gelder.
    Noch immer lag »Gottes Stimme« mit einem Sirren in der Luft, das höher und höher wurde. Die Bauern standen still, als warteten sie auf den letzten hörbaren Ton. Er verklang und die Menge setzte sich in Bewegung. Langsam wandten sich die Dorfbewohner ab und gingen. Jeder für sich.

Stammbaum der Familie van Grunten
    Männliche Linie
    Cornelius 1721-1772
    Kapitän in Diensten der spanischen Krone, mit Freibeuterbrief.
    1761 raubt er bei einem Überfall auf ein englisches Schiff Catharina Clarabella von Weinstein (12) und erpreßt den Grafen von Weinstein, ihm für die Freiheit des Mädchens das Dorf Herzensach samt Tal zu überschreiben.
    Cornelius sieht das Tal nie. Er wird 1772 bei einem Landgang in Lissabon erstochen.
    Hendrik 1764-1840
    Sohn des Cornelius. Wird mit seiner Familie 1812 in Herzensach ansässig.
    Baut 1814 den Wehrturm und 1824 das Gutshaus.
    Caspar 1801-1875
    Einziger Sohn des Hendrik.
    Johann Jacob 1840-1926
    Einziger Sohn des Caspar. Läßt den Tiefbrunnen bohren und bringt 1880 das Mineralwasser »Herzensacher Heilwasser« auf den Markt, muß die Produktion aber 1895 wegen giftiger Bestandteile einstellen.
    1898 erweitert er das Gutshaus um die beiden Seitenflügel aus den Steinen des Wehrturms.
    1912 verkauft er einen Teil des Forstes an den Staat und finanziert damit die Beteiligung am Berliner Bankhaus van Grunten & Salomon
    Hubertus 1870-1914
    Einziger

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