Herzensbrecher: Roman (German Edition)
spielte mit seinem Großvater eine Partie Mau Mau. Maxine und ihre Mutter gingen in die Küche, um nach dem Truthahn zu sehen. Der Tisch war einladend gedeckt – feinstes Leinen, Silberbesteck und edles Porzellan. Der Truthahn war gar und das Gemüse fast fertig. Gemeinsam Thanksgiving zu feiern war eine Tradition, die alle schätzten. Maxine besuchte ihre Eltern gern. Die beiden hatten sie ihr Leben lang unterstützt, vor allem seit der Scheidung von Blake. Sie hatten ihren Schwiegersohn gemocht, waren allerdings der Meinung, dass er es seit seinem großen Gewinn in der Dotcom-Branche ein bisschen übertrieb. Für das Leben, das er führte, hatten sie nur wenig Verständnis. Anfangs hatten sie sich Sorgen gemacht, ob sein Lebenswandel einen negativen Einfluss auf die Kinder haben könnte. Doch dann hatten sie beruhigt festgestellt, dass Maxines bodenständige Werte die Kinder zu vernünftigen jungen Menschen heranwachsen ließen. Beide liebten ihre Enkelkinder über alles und freuten sich jedes Mal, wenn sie zu Besuch kamen.
Maxines Vater praktizierte noch. Allerdings führte er nur noch Operationen durch, bei denen seine Fachkenntnis wegen eines besonderen Problems gefragt war. Darüber hinaus hielt er vor allem Vorlesungen. Er war stolz auf die medizinische Karriere seiner Tochter. Als sie sich damals dafür entschieden hatte, in seine Fußstapfen zu treten und ebenfalls Medizin zu studieren, hatte er sich gefreut. Ihre Entscheidung, sich auf Psychiatrie zu spezialisieren, hatte ihn jedoch überrascht. Auf diesem Fachgebiet kannte er sich kaum aus. Doch er hatte beeindruckt mit angesehen, wie sie sich ihren Ruf auf dem Gebiet erarbeitete. Voller Stolz hatte er schon etliche Exemplare ihrer Bücher verschenkt.
Maxines Mutter sah nach den Süßkartoffeln im Backofen und kontrollierte noch einmal die Temperatur, damit der Truthahn nicht zu trocken wurde. Dann wandte sie sich mit einem warmen Lächeln ihrer Tochter zu. Marguerite war eine ruhige, fürsorgliche Frau, die sich ihr Leben lang bescheiden im Hintergrund gehalten hatte. Sie war stolz darauf, die Frau eines angesehenen Arztes zu sein, und hatte nie das Bedürfnis nach einer eigenen Karriere verspürt. Sie gehörte einer Generation an, in der die Frauen hinter ihren Männern standen, die Kinder aufzogen und lieber zu Hause blieben als arbeiten zu gehen, solange es nicht aus finanziellen Gründen nötig war. Sie hatte sich in Wohltätigkeitsorganisationen engagiert und ehrenamtlich in dem Krankenhaus gearbeitet, in dem ihr Mann praktizierte. Ihr Leben war ausgefüllt und glücklich. Sorgen bereitete ihr nur, dass Maxine neben ihrer Arbeit die Verantwortung für drei Kinder allein zu tragen hatte. Dass sich Blake seiner Aufgabe als Vater entzog, machte Marguerite Connors mehr zu schaffen als ihrem Mann. Der hatte zwar auch nie viel Zeit für seine Tochter gehabt, aber aus nachvollziehbaren Gründen, wie Marguerite fand. Blakes ausgeprägter Hang, sich zu amüsieren, befremdete sie, und sie fand es bemerkenswert, wie tolerant und geduldig Maxine damit umging. Aber sie bedauerte, dass den Enkelkindern der Vater fehlte. Außerdem beunruhigte es sie, dass Maxine seit der Scheidung allein geblieben war.
»Wie geht es dir, Liebes? Viel zu tun wie immer?«, fragte sie jetzt. Sie und Maxine telefonierten jede Woche ein paar Mal miteinander, sprachen jedoch selten über Probleme. Wenn Maxine das Bedürfnis danach verspürte, wandte sie sich an ihren Vater, der einen realistischeren Blick auf das Leben hatte. Ihre Mutter war in den fünfzig Jahren ihrer Ehe so behütet durchs Leben gegangen, dass sie, was praktische Hilfe betraf, nicht viel beisteuern konnte. Außerdem beunruhigte Maxine sie nicht gern. »Arbeitest du an einem neuen Buch?«
»Im Augenblick nicht. Vor den Feiertagen herrscht in meiner Praxis Hochbetrieb. Die anstehenden Feste setzen viele Menschen unter Stress. Das macht sich bemerkbar«, antwortete Maxine und legte die aufgebackenen Brötchen in einen Korb. Das Essen duftete köstlich. Während der Woche hatte ihre Mutter eine Haushaltshilfe, aber sie war eine ausgezeichnete Köchin und liebte es, das Festtagsessen selbst zuzubereiten. Sie kochte auch das Weihnachtsessen, was für Maxine eine große Hilfe war, da sie sich nie sehr fürs Kochen interessiert hatte. Wie ihr Vater fühlte sie sich für den Unterhalt der Familie verantwortlich. Bis zum heutigen Tag war es ausschließlich ihr Vater, der Schecks unterschrieb und Rechnungen bezahlte.
Weitere Kostenlose Bücher