Herzensbrecher: Roman (German Edition)
Maxine war sich darüber im Klaren, dass ihre Mutter hilflos sein würde, falls ihrem Mann etwas zustieß.
»Bei uns ist es auch immer eine hektische Zeit«, sagte Marguerite und holte den knusprigen Truthahn aus dem Ofen. Der Anblick war des Covers einer Kochzeitschrift würdig. »Sobald es draußen kalt wird, stürzen die Leute und brechen sich die Hüfte.« Vor drei Jahren hatte sie selbst ein solches Missgeschick erlitten. Seitdem trug sie eine künstliche Hüfte. Zum Glück hatte sie sich gut von Unfall und Operation erholt. »Dazu kommt die Skisaison. Du weißt ja, wie viel dein Vater um diese Jahreszeit zu tun hat.«
Maxine nickte lächelnd und half ihrer Mutter, die Süßkartoffeln aus dem Backofen zu holen und sie auf der Arbeitsinsel in der Mitte der Küche abzustellen. Die Marshmellowkruste war goldbraun gebacken und duftete köstlich. »Dad hat immer viel zu tun, Mom.«
»So wie du«, stellte ihre Mutter voller Stolz fest und ging ihren Mann holen, damit er den Truthahn tranchierte. Maxine folgte ihr ins Wohnzimmer und sah, dass ihr Vater immer noch mit Sam Karten spielte. Jack und Daphne sahen sich im Fernsehen ein Footballspiel an. Ihr Vater war jahrelang Mannschaftsarzt der New York Jets gewesen. Noch immer kamen die Spieler als Patienten in seine Praxis.
»Truthahnzeit!«, verkündete ihre Mutter, und ihr Vater erhob sich. Er entschuldigte sich bei Sam und sah Maxine schmunzelnd an.
»Ich glaube, er schummelt«, flüsterte er.
»Ganz bestimmt sogar«, versicherte Maxine grinsend.
Zehn Minuten später stand der Truthahn tranchiert auf dem Esstisch. Marguerite rief alle zum Essen. Maxine liebte dieses Familienritual und freute sich, dass sie zusammen waren. Ihre Mutter war mittlerweile achtundsiebzig Jahre alt und ihr Dad neunundsiebzig, aber beide erfreuten sich bester Gesundheit. Maxine konnte kaum glauben, dass ihre Eltern schon so alt waren.
Ihre Mutter sprach wie jedes Jahr das Tischgebet. Anschließend reichte ihr Vater die Platte mit Truthahn herum. Es gab Füllung, Preiselbeersauce, Süßkartoffeln, Wildreis, Erbsen, Spinat, Maronenpüree und selbstgebackene Brötchen – ein richtiges Festessen.
»Lecker!«, sagte Sam und lud sich Süßkartoffeln mit Marshmellowkruste auf den Teller. Dazu nahm er eine ordentliche Portion Füllung mit Preiselbeersauce und eine Scheibe weißes Truthahnfleisch. Auf Gemüse verzichtete er. Maxine sagte nichts dazu, sondern ließ ihn sein Essen genießen.
Das Gespräch war wie immer sehr lebhaft, wenn sie alle beisammen waren. Die Großeltern erkundigten sich bei den Kindern, wie es in der Schule lief, und Grandpa interessierte sich sehr für Jacks Fußballspiele. Als sich das Essen dem Ende näherte, waren alle so satt, dass sie sich kaum noch rühren konnten.
Zum Nachtisch gab es Apfel- und Kürbiskuchen mit Vanilleeis oder Schlagsahne. Als Sam vom Tisch aufstand, hing sein Hemd aus der Hose, der Kragen war offen, und die Krawatte saß schief. Jack sah ordentlicher aus, allerdings hatte er die Krawatte abgenommen. Nur Daphne war wie bei ihrer Ankunft immer noch wie aus dem Ei gepellt – ganz die perfekte Dame. Die Kinder kehrten ins Wohnzimmer zurück, um sich wieder dem Footballspiel zu widmen. Maxine blieb mit ihren Eltern am Tisch sitzen, um noch in Ruhe einen Kaffee zu trinken.
»Das Essen war köstlich, Mom«, schwärmte Maxine. Sie schätzte die Kochkünste ihrer Mutter und wünschte, sie hätte sich mehr von ihr abgeschaut. Aber das Kochen lag ihr einfach nicht und machte ihr auch keinen Spaß. »Es ist immer ein Genuss, bei dir zu essen«, fügte sie hinzu, und ihre Mutter strahlte.
»Deine Mutter ist eine wunderbare Frau«, stellte ihr Vater fest, und Maxine lächelte über den Blick, den die beiden wechselten. Sie waren rührend. Nach all den Jahren liebten sie sich immer noch. Im nächsten Jahr würden sie ihren fünfzigsten Hochzeitstag feiern. Maxine überlegte bereits, eine Party für sie auszurichten. Als einziges Kind betrachtete sie das als ihre Pflicht, die sie gern erfüllte.
»Die Kinder sehen prächtig aus«, sagte ihr Vater, während Maxine sich eine Pfefferminzpraline von dem Silbertablett nahm, das ihre Mutter zusammen mit dem Kaffee auf den Tisch gestellt hatte. Maxine konnte selbst kaum glauben, dass sie nach dem üppigen Essen noch einen Bissen hinunterbekam, aber es gelang ihr sogar mit Genuss.
»Danke, Dad. Es geht ihnen auch gut.«
»Es ist eine Schande, dass ihr Vater nicht mehr Zeit mit ihnen verbringt.« Diese
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