Herzensbrecher: Roman (German Edition)
Thelma Washington an. Es musste sich um etwas Ernstes mit einem ihrer Patienten handeln. Sonst würde Thelma sie nicht am Wochenende anrufen.
»Hallo Thelma, was gibt es denn?«, meldete sich Maxine. Charles hoffte inständig, dass es sich nicht um einen Notfall handelte. Der Abend war so schön gewesen, und es wäre schade, wenn etwas Unangenehmes den Abschluss bildete.
Maxine lauschte konzentriert, runzelte die Stirn und schloss die Augen. »Wie viele Einheiten Blut hat sie bekommen?«, fragte sie, schwieg und lauschte wieder. »Könnt ihr einen Kardiologen hinzuziehen? Versuch es bei Jones … Mist … okay … ich bin gleich da.« Mit besorgter Miene wandte sie sich zu Charles. »Tut mir leid. Es ist mir sehr unangenehm, aber eine meiner Patientinnen wurde gerade in die Notaufnahme eingeliefert. Darf ich dieses Taxi entführen und mich zum Columbia Presbyterian bringen lassen? Ich habe keine Zeit, erst nach Hause zu fahren und mich umzuziehen. Wir können Sie auf dem Weg zum Krankenhaus zu Hause absetzen.« In Gedanken war sie bei dem, was Thelma ihr gesagt hatte. Es ging um ein fünfzehnjähriges Mädchen, das Maxine erst seit wenigen Monaten behandelte. Sie hatte versucht, sich umzubringen, und rang mit dem Tod. Maxine wollte so schnell wie möglich vor Ort sein. Charles wirkte ernüchtert und versicherte, dass sie selbstverständlich über das Taxi verfügen konnte.
»Soll ich Sie nicht begleiten? Als moralische Unterstützung sozusagen?« Er konnte nur ahnen, wie aufreibend Maxines Arbeit sein musste, und hätte nicht mit ihr tauschen wollen. Aber er bewunderte ihr Engagement, und in medizinischer Hinsicht war ihr Aufgabengebiet sicher interessanter als seines.
»Möglicherweise werde ich die ganze Nacht dort sein. Eigentlich hoffe ich das sogar.« Alles andere würde nur bedeuten, dass die Patientin nicht überlebt hatte.
»Kein Problem. Wenn mir die Zeit zu lang wird, kann ich immer noch nach Hause fahren. Hey, ich bin auch Arzt und kenne diese Situationen.« Maxine lächelte. Es tat gut, diese Erfahrungen mit ihm zu teilen. Sie nannten dem Fahrer das neue Ziel, und während der Wagen nach Norden fuhr, informierte Maxine Charles über die Details. Das Mädchen hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten und ein Küchenmesser ins Herz gestoßen. Sie hatte ganze Arbeit geleistet. Durch puren Zufall hatte ihre Mutter sie rechtzeitig gefunden und sofort den Notarzt verständigt. Zwei Einheiten Blut hatte man dem Mädchen bereits gegeben. Ihr Herz hatte zweimal aufgehört zu schlagen. Die Ärzte konnten sie jedoch wiederbeleben. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden. Das war bereits ihr zweiter Selbstmordversuch.
»Du lieber Himmel! Die machen wirklich keine halben Sachen. Und ich war immer der Meinung, es ginge vor allem darum, mit halbherzigen Aktionen Aufmerksamkeit zu erregen.« Diese Versuche jedoch hatten nichts Halbherziges an sich.
Sobald sie das Krankenhaus betraten, war Maxine in Aktion. Sie zog den Abendmantel aus und einen Arztkittel über das schwarze Cocktailkleid. Anschließend tauschte sie sich mit dem Notarzt und Thelma aus, untersuchte die Patientin, rief den Kardiologen an und sprach mit dem zuständigen Arzt. Die Schnittwunden an den Handgelenken der Patientin hatte man bereits versorgt. Wenige Minuten später traf der Herzchirurg ein und ließ das im Koma liegende Mädchen sofort in den OP bringen. Während Maxine versuchte, die Eltern zu beruhigen, unterhielten sich Thelma und Charles leise auf dem Flur.
»Sie ist eine ganz besondere Frau, nicht wahr?«, sagte Charles bewundernd. Wenn Maxine erst einmal loslegte, hatte sie die Kraft eines Tornados. Thelma konnte ihm nur zustimmen. Es gefiel ihr, dass er so viel Respekt vor Maxines Arbeit hatte.
Eine halbe Stunde später kam Maxine zu ihnen.
»Wie geht es ihr?«, fragte Thelma. Sie war eigentlich nur geblieben, um Charles Gesellschaft zu leisten. Um die Patientin kümmerte sich jetzt Maxine.
»Sie ist noch nicht über den Berg. Es war wirklich knapp.«
Eloise, die Patientin, wurde vier Stunden lang operiert. Thelma war längst gegangen, aber Charles harrte immer noch aus.
Mit einem siegessicheren Grinsen im Gesicht betrat morgens um fünf Uhr der Chirurg das Wartezimmer, in dem Maxine und Charles die Nacht verbracht hatten. »Wunder gibt es immer wieder. Eine andere Erklärung habe ich nicht. Sie ist dem Tod im wahrsten Sinne des Wortes um Haaresbreite von der Schippe gesprungen. Noch ist es nicht ausgestanden, aber ich bin
Weitere Kostenlose Bücher