Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
ist noch unklar. Wir wissen nur, dass er zu seinem letzten Kundentermin nicht erschienen ist. Sein Auto wurde bisher nicht gefunden, die Fahndung nach dem Wagen läuft. Es gibt keinerlei Zweifel, dass wir es mit demselben Täter zu tun haben. Neuberts Herz wurde ent fernt.«
Jennifer machte eine kurze Pause, bevor sie ihren Bericht fortsetzte: »Der Student sitzt noch in einer Ausnüchterungszelle, dürfte aber, da er nachweislich direkt von einer Party kam, nichts damit zu tun haben. Der Kunde, der vergeblich auf das Opfer gewartet hat, muss noch befragt werden. Die Witwe hat einen Schock erlitten und steht uns nach Auskunft der Ärzte im Laufe des Vormittags wieder für Fragen zur Verfügung. Wir haben bereits das Haus durchsucht, insbesondere Neuberts Büro, und sämtliche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt.« Jennifers Blick streifte die beiden Kartons auf dem Tisch am Fenster, auf dem sich außerdem gut zwei Dutzend Ordner stapelten.
»Das Opfer hat über jeden seiner Kunden Buch geführt und die Gespräche, in denen er tief in ihr Privatleben vorgedrungen ist, ausführlich protokolliert. Staatsanwalt Grohmann klärt gerade, ob wir datenschutzrechtliche Probleme zu erwarten haben. Normalerweise fällt Neuberts Tätigkeit aber nicht unter irgendein spezielles Datengeheimnis, die bisher erwirkten Beschlüsse sollten also ausreichen. Auch wenn wir nach Rücksprache mit Doktor Rabe davon ausgehen müssen, dass der Täter eher nicht unter Neuberts Kunden zu finden ist, sollten wir diese Leute sehr genau unter die Lupe nehmen.«
Jennifer sah Katia Mironowa und Frank Herzig an, die mit versteinerten Mienen neben Marcels verwaistem Schreibtisch standen. »Fangt ihr bitte mit den Geschäftsdaten an. Vor allem interessieren uns die Kundendaten der letzten Monate. Freya kann euch dabei helfen.« Katia und Frank nickten ernst. »Jariks Team macht weiter wie bereits besprochen.« Jennifers Blick wanderte zu Morpheus, der es sich in legerer Businesskleidung auf ihrem Stuhl bequem gemacht hatte. »Du nimmst dir Computer, Handy und Telefondaten vor. Neubert soll außerdem im Internet aktiv gewesen sein, es wäre also gut, wenn du dich dort ebenfalls umschauen würdest.«
Oliver Grohmann erschien in der Tür zu ihrem Büro und lehnte sich gegen den Türrahmen. Jennifer warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, geriet aber dennoch ins Stocken, als sie seinen Augen begegnete. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zu den anderen Kollegen und bemerkte prompt Katias auffallend neugierige Miene.
»Teilt euch die Arbeit ein. Fokussiert eure Ermittlungen auf eine mögliche Verbindung zwischen den Opfern, die uns einen Hinweis auf den Täter geben könnte, oder auf einen Fehler, der ihm unterlaufen ist.«
Jennifer hielt kurz inne, bevor sich ihr Gesichtsausdruck verfinsterte. »Ich muss wohl kaum erwähnen, dass uns unser Mann extrem wenig Zeit lässt. Er verfolgt einen Plan. Er wird erneut zuschlagen, und zwar womöglich bereits, bevor wir die Gelegenheit hatten, alle Hinweise zu verfolgen. Doktor Rabe war so freundlich, Vermutungen bezüglich des Gefühls zu äußern, dem sich der Täter als Nächstes widmen könnte: Trauer, Schwermut, alles, was in diese Richtung geht. Trotzdem möchte ich euch bitten, euch darüber ebenfalls Gedanken zu machen.«
Sie ließ ihren Blick von einem zum anderen wandern, wobei sie Grohmann bewusst aussparte, obwohl es sie nur eine leichte Drehung des Kopfes gekostet hätte, ihn anzusehen. »Wenn euch irgendetwas dazu einfällt, vielleicht sogar eine konkrete Person, die als nächstes Opfer infrage kommt, macht den Mund auf. Unser Mann bewegt sich offenbar in einem begrenzten Gebiet und ist bei der Wahl seiner Opfer nicht besonders anspruchsvoll. Sie stehen zwar persönlich oder durch ihren Beruf mit den ausgestellten Gefühlen in Verbindung, die Symbolwirkung muss aber keinesfalls perfekt sein. Auch wenn er uns ein paar Schritte voraus ist, haben wir immer noch die Möglichkeit, ihm zuvorzukommen.«
Jennifers Ansprache war beendet. Sie räumte ihren Kollegen einige Sekunden Zeit ein, um Fragen zu stellen, und als keine kamen, sagte sie: »Dann los.«
Die Männer und Frauen verließen einer nach dem anderen Jennifers Büro. Katia, Frank und Freya trugen erste Stapel mit Ordnern hinaus. Nur der Staatsanwalt blieb zurück. Wortlos beobachtete er die Kommissarin dabei, wie sie ihre Daunenjacke vom Stuhl nahm und überstreifte.
»Wie sieht die Rechtslage aus?«, fragte Jennifer schließlich, als sie
Weitere Kostenlose Bücher