Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Antwort.«
Jennifer dachte nicht nach. Sie beugte sich einfach vor und küsste ihn. Der Kuss hatte kurz und knapp ausfallen sollen, doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass Oliver ihn erwidern und sie nicht fähig sein würde, sich ihm zu entziehen. Sie ließ sich fallen, sperrte die Welt vollkommen aus und genoss die Berührung seiner Lippen und das leichte Kratzen seines Dreitagebarts. Das Kribbeln setzte sich bis in ihre Zehenspitzen fort und verstärkte sich noch, als sie spürte, wie er sie in eine Umarmung ziehen wollte.
Dann schrillte ihr Handy. Einmal, zweimal. Der Klingelton sagte ihr, dass die Arbeit rief, doch sie wollte den Moment nicht enden lassen. Es war Oliver, der sich von ihr löste und sie in die kalte Realität zurückwarf.
Beinahe aggressiv fummelte sie das Mobiltelefon aus ihrer Jackentasche. »Leitner.«
Sie starrte auf den Parkplatz hinaus und hörte nur halb zu, während ihr Verstand wegen etwas ganz anderem Zeter und Mordio schrie, als er jetzt endlich wieder etwas zu melden hatte. Doch sie bekam immerhin genug mit, um zu begreifen, was der Anrufer ihr mitteilte. »Verstehe. Wo genau?«
Oliver saß neben ihr und beobachtete sie beim Telefonieren. Ihr Gesichtsausdruck sagte alles.
»Schickt mir die Koordinaten. Ich bin auf dem Weg. Eine halbe bis Dreiviertelstunde werde ich wohl brauchen.« Sie hielt kurz inne. »Und informiert Staatsanwalt Grohmann. Er wird sich das sicher selbst ansehen wollen.«
Sie legte auf, ließ die Hand mit dem Telefon sinken und blickte in das neuerlich einsetzende Schneetreiben hinaus. »Der dritte Tote«, sagte sie schließlich. »Du wirst gleich einen Anruf bekommen.«
Sie ließ Oliver nicht einmal Zeit, etwas zu erwidern, sondern riss die Tür auf und floh nach draußen.
»Jennifer, warte …«
Doch sie reagierte nicht. Ohne zurückzublicken stieg sie in ihr Auto, ließ den Motor an und fuhr davon.
13
»Unser drittes Opfer ist Horst Neubert, ein Unternehmer aus Seligenstadt.« Jennifer befestigte das soeben ausgedruckte Foto mit einem Magneten am Whiteboard. Es zeigte einen Mann von Anfang sechzig, der mit einem seligen Ausdruck in die Kamera lächelte. Erst beim dritten Hinsehen bemerkte man, dass irgendetwas nicht stimmte. Seine Augen waren gebrochen. Er war tot.
»Seine Leiche wurde gestern Abend an einer Bushaltestelle gefunden.« Die Kommissarin hängte zwei weitere Fotos auf. Horst Neubert hielt eine üppig blühende Sonnenblume in der Hand und lehnte mit dem Rücken an einem Plakat, auf dem das neueste Modell eines deutschen Autobauers beworben wurde: »Der ultimative Fahrspaß – Freude pur!«
»Er war seit einigen Jahren selbstständig und bot seine Dienste unter dem Slogan ›Ihr persönlicher Helfer zu Freude und Lebensglück‹ an«, erläuterte Jennifer. »Eine Art Life-Coaching, allerdings nur mäßig seriös. Er verfügte in dem Bereich über keinerlei Ausbildung oder auch nur durch Schulungen erworbene Kenntnisse. Mehr haben wir aus seiner Witwe noch nicht herausbekommen.«
Sie ließ ihren Blick zwischen den Kollegen umherwandern. »Der Tote wurde von einem betrunkenen Studenten gefunden, der sich nach einer Party in die Gegend verirrt hatte. Die Bushaltestelle wird abends nur bis halb acht angefahren. Sie liegt zwischen einem Wohngebiet und einem Industriepark. Ab acht Uhr kaum noch Verkehr. Perfekte Bedingungen für unseren Mann. Keine Zeugen bisher, keine brauchbaren Hin weise.«
Jennifer sah Jarik an, der mit verschränkten Armen an ihrem Schreibtisch lehnte, und fuhr fort. »Die Spurensuche an der Bushaltestelle dauert noch an. Allerdings ist davon auszugehen, dass mögliche Zeugen gar nicht wissen, dass sie an einem Toten vorbeigefahren sind. Neubert wurde ähnlich überzeugend zurechtgemacht wie Larissa Schröder. Er kann allerdings auch nicht besonders lange dort gesessen haben. Die Leichenstarre war zum Zeitpunkt des Auffindens vollständig ausgebildet, zeigte aber bereits erste Anzeichen einer Lösung. Da seine Witwe ihn noch gestern Mittag zum Essen gesehen hat, ist der zeitliche Spielraum für die Tatausführung sehr begrenzt. Ob und, falls ja, auf welche Weise die vorzeitige Ausbildung der Totenstarre begünstigt oder beschleunigt worden sein könnte, versucht Professor Meurer noch herauszufinden.«
Es war fast halb neun. Der Rechtsmediziner wartete mit Sicherheit schon auf sie. »Neubert wurde vermutlich mit einem Schlag auf den Hinterkopf betäubt und dann ähnlich wie Larissa Schröder erdrosselt. Wo und wann,
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