Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
durchweichten Taschen lehnte jedoch noch immer an der Mauer einer Änderungsschneiderei. Der Junge hatte sich also doch noch von den Sanitätern überzeugen lassen. »Er kam mit seinem Fahrrad hier durch und hat die 110 angerufen.«
»Ein Fahrrad? Bei dem Wetter?«
Jennifer warf einen vielsagenden Blick auf Möhrings aufgespannten Regenschirm. Sie selbst spürte den eisigen Regen kaum noch, ihre Wangen waren längst taub. »Er ist nicht zu beneiden.«
Sie erreichten das Schaufenster, in dem Leander Meurer und sein Assistent bei der Toten knieten. Peter Möhring blieb wie angewurzelt stehen und starrte die Frau mehrere Sekunden lang an. »Haben Sie sie schon identifiziert?«
»Nein, wie ich schon sagte, aber das steht als Erstes auf meiner Liste. Sie hat keinerlei Ausweispapiere dabei, was bei der Aufmachung aber auch kein Wunder ist.«
»Ich glaube, ich kenne sie.« Möhring trat noch etwas näher an das Schaufenster heran. »Ja, doch, das ist sie.«
Jennifer rieb sich die Nässe aus den Augen. »Wer?«
»An ihren Namen kann ich mich nicht erinnern, aber ich habe ihr Gesicht vor einiger Zeit in der Lokalpresse gesehen. Ihre bevorstehende Hochzeit wurde mit ganzseitigen Anzeigen öffentlich inszeniert.« Er warf Jennifer einen Seitenblick zu. »Schauen Sie denn nie in den gesellschaftlichen Teil Ihrer Tageszeitung?«
Jennifer hatte nicht einmal eine Tageszeitung abonniert und selbst wenn, wäre sie wohl kaum dazu gekommen, den Gesellschaftsteil zu lesen. Das galt wohl für die meisten Beamten vor Ort, denn bisher hatte niemand die Tote erkannt. »Ist sie irgendeine Berühmtheit?«
Möhring schüttelte den Kopf. »Alles private Anzeigen, deshalb erinnere ich mich wohl daran. Geld spielte jedenfalls keine Rolle. Sie sollten einen Blick ins Zeitungsarchiv werfen oder das Standesamt bemühen.«
Er schlug ihr nicht vor, direkt bei der Lokalzeitung anzurufen. Erfahrungsgemäß hätten sie keine Informationen bekommen, ohne selbst irgendetwas Druckbares zu liefern.
»Vielleicht war sie sogar Kundin dieser Agentur«, mutmaßte die Kommissarin.
»Haben Sie die Geschäftsführerin bereits ausfindig gemacht?«
»Ja, und wir wissen auch, dass das da drinnen weder sie noch ihre Angestellte ist.« Anhand der Fotos auf der Homepage der Agentur hatten sie die beiden Frauen als Opfer eindeutig ausschließen können. »Ich habe Freya damit beauftragt, sie anzurufen und aufs Präsidium zu bitten.«
Möhring nickte zufrieden. »Die Frauen sollten sich unbedingt auch noch die Geschäftsräume ansehen, wenn die Leiche abtransportiert wurde und die Spurensicherung fertig ist. Wenn irgendetwas fehlt oder verändert wurde, können sie das naturgemäß am besten beurteilen.«
Eigentlich war es nicht Peter Möhrings Art, seinen Leuten zu sagen, wie sie ihre Arbeit machen sollten. Dass er es an diesem Morgen dennoch tat, war wahrscheinlich auch dem Anruf des Polizeidirektors geschuldet. Er wollte wahrheitsgetreu sagen können, sich persönlich um den Fall gekümmert zu haben.
Jennifer sah zu der Toten hinüber, die noch immer auf dem Stuhl saß, inzwischen aber an Schönheit eingebüßt hatte. Der Rechtsmediziner und sein Assistent waren verschwunden und bereiteten vermutlich gerade den Transport in die Rechtsmedizin vor. »Wenn sie erst vor Kurzem geheiratet hat, sollten wir wohl als Erstes ihren Ehemann befragen.«
»Sie gehen von einem Beziehungsverbrechen aus?«, hakte der Leiter der Einsatzabteilung nach.
Die Kommissarin zuckte die Schultern. Um sich festzulegen, war es eindeutig noch zu früh. »Heute ist Valentinstag, und sie liegt als perfekte Braut im Schaufenster einer Hochzeitsagentur … Es deutet zumindest vieles in diese Richtung.«
»Ein ehemaliger Geliebter?«, schlug Möhring vor.
Wieder zuckte sie die Schultern. Einige Sekunden lang herrschte betretenes Schweigen. Jennifer ließ ihren Blick durch die Fußgängerzone schweifen und entdeckte jenseits der Absperrung einen altersschwachen Ford, der ihr nicht unbekannt war. Direkt dahinter fuhr der Leichenwagen.
»Da kommt Grohmann.« Jennifer war froh, dass sie die Unterredung mit ihrem Chef beenden konnte, die bisher noch nicht den befürchteten Ausgang genommen hatte. »Ich werde sehen, ob wir die Fußgängerzone bis zum frühen Mittag freigeben können.« Sie nickte ihm zu und wandte sich ab.
Doch noch bevor sich Erleichterung in ihr ausbreiten konnte, rief ihr Möhring hinterher: »Wo ist eigentlich KOK Meyer?«
Jennifer blieb stehen und biss die Zähne
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