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Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia Berwein
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ihrem Gesicht lag ein sehnsuchtsvolles, zugleich glücklich wirkendes Lächeln, das von ihrem leblosen Blick nur marginal beeinträchtigt wurde. Ihr braunes Haar war zu einer verspielten Frisur hochgesteckt, und ihr Make-up unterstrich den trügerischen Eindruck von Lebendigkeit. Sie hielt ein kunstvolles Bouquet aus weißen und roten Rosen in den Händen. Die Blumen waren ebenso wie der Schmuck perfekt auf das Kleid abgestimmt, ein Traum aus weißer und cremefarbener Seide, Brokat und Spitze.
    Sie verkörperte die perfekte Braut. Allerdings eine tote Braut.
    Im Vorbeischlendern hätte man die Frau leicht für eine Schaufensterpuppe halten können. Immerhin saß sie vollkommen reglos vor dunkelblauem Samt in einem Meer aus künstlichen roten Rosenblättern, von zwei schwebenden Herzen und einer weißen Taube mit goldenem Ring im Schnabel umrahmt. Möglicherweise waren in den frühen Morgenstunden tatsächlich arglose Passanten vorbeigekommen und hatten sich an dem Anblick erfreut. Vielleicht wäre die grausige Wahrheit bis zum Eintreffen der Agenturinhaberin unentdeckt geblieben, wenn ein Bäckerlehrling auf seiner Liefertour nicht näher hingesehen und die Polizei angerufen hätte.
    Der schlaksige Junge saß noch immer mit zwei Decken um die Schultern und einem Heißgetränk in den Händen im Fond des Krankenwagens, der zwei Häuser weiter parkte. Die beiden Sanitäter wirkten zunehmend gereizt, weil der unter Schock stehende Jugendliche partout nicht in die Klinik gebracht werden wollte. Stattdessen bestand er darauf, seine Tour zu beenden, obwohl die Taschen mit den Brötchen, die am Lenker seines Fahrrads hingen, längst vom eisigen Regen durchnässt worden waren. Dass ebendieses Vorhaben seinen behandlungswürdigen Zustand bewies, wollte er natürlich ebenfalls nicht einsehen.
    Inzwischen war es halb acht. Jennifer verschränkte die Arme vor der Brust, doch die Kälte drang trotzdem durch ihre Daunenjacke. Noch einmal ließ sie ihren Blick durch die Fußgängerzone wandern, die zu beiden Seiten mit rot-weißem Flatterband abgesperrt war, um Schaulustige fernzuhalten. »Wie sieht es mit Videoüberwachung hier und in den umliegenden Straßen aus?«, fragte sie Thomas Kramer, der neben ihr stand.
    Der Polizeiobermeister war mit seinem Partner als Erster am Fundort eingetroffen und koordinierte den Einsatz der uniformierten Kollegen vor Ort. »Fehlanzeige.«
    »Irgendwelche Zeugen?«
    »Bisher keine. Aber wir sind noch dran.«
    Jennifer nickte. Es war an der Zeit, sich den Fundort und die Leiche ohne eine Fensterscheibe dazwischen anzusehen. Sie folgte Thomas Kramer durch einen Durchgang in den Hinterhof, der zur Warenanlieferung für die umliegenden Geschäfte genutzt wurde.
    Die Fassade war auf dieser Seite weit weniger ansehnlich als vorne, und der Asphalt war an vielen Stellen nur notdürftig geflickt, sodass sich das Regenwasser in großen Pfützen gesammelt hatte. Schilder wiesen darauf hin, wo Geschäftsinhaber und Lieferanten parken durften. Der Hof war bis auf ein Polizeiauto jedoch leer.
    Jennifer ließ ihren Blick schweifen. Sie konnte auch hier keine Kameras entdecken, und die hintere Einfahrt wurde von einem gut zwei Meter hohen Metalltor versperrt. »Ist das Tor nachts verschlossen?«, fragte sie.
    Kramer zuckte die Schultern. »Das sollte es wohl sein, ist es aber nicht. Kein Hinweis auf gewaltsames Öffnen, es war also vermutlich auch schon heute Nacht offen. Die Spusi sollte es sich trotzdem noch mal ansehen.«
    Jennifer trat an den geöffneten Kofferraum des Polizeiautos, das unter einem Vordach im Trockenen stand. Thomas Kramer und sein Kollege hatten alles Notwendige dabei, sodass sie nicht auf das Eintreffen der Spurensicherung warten musste. Sie zog ihre Jacke aus, schlüpfte in einen Schutzoverall und tauschte ihre Wollhandschuhe gegen die Latexausführung. Zuletzt zog sie noch Plastiküberzüge über ihre Schuhe.
    So ausgerüstet wandte sie sich dem Hintereingang der Agentur zu, der deutliche Einbruchsspuren aufwies. Die Tür war alt und aus nicht besonders robustem Holz gefertigt. Das Schloss schien neueren Datums zu sein, doch es war keine Schließeinrichtung, die einem Einbrecher große Probleme bereitet hätte. Das Holz war gesplittert, vermutlich war der Eindringling mit einem Stemmeisen zu Werke gegangen.
    Da kein Licht brannte und der Flur im Dunkeln lag, schaltete Jennifer ihre Taschenlampe ein. Alle Türen standen offen, und sie bewegte sich langsam von Raum zu Raum, darauf bedacht,

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