Herzflimmern
oder vor mir selber?
»Ich habe im Lauf der Jahre immer mal wieder daran gedacht, dich zu besuchen«, sagte er jetzt, während er sein Weinglas hin und her drehte.
»Ich war sogar einmal in Hawaii, als ich ein geeignetes Gelände für Aufnahmen suchte. Ich war nahe daran, einfach ins Great Victoria zu marschieren und dir guten Tag zu sagen. Aber dann fand ich, die Idee wäre vielleicht doch nicht so gut.« Er lächelte, und sie sah die vertrauten Lachfältchen an den Augenwinkeln.
{308}
Wie wäre das gewesen, dachte sie, während sie den Kopf drehte und zum Meer hinausblickte. Was wäre daraus geworden? Das war genau die Zeit gewesen, wo sie sich nach ihm gesehnt hatte; ehe sie Harrison kennengelernt hatte.
»Bist du glücklich, Mickey?«
»Ja, sehr. Und du?«
Er zuckte mit einem wehmütigen Lächeln die Achseln.
»Gott, was ist schon Glück? Ich habe erreicht, was ich wollte. Ich habe das Filmimperium aufgebaut, von dem ich geträumt habe.«
Jonathan machte sie plötzlich traurig. »Haben wir eigentlich eine Kellnerin?« fragte sie leichthin, um den Moment zu überbrücken.
Als hätte sie gelauscht, kam die Kellnerin an ihren Tisch, legte zwei Speisekarten vor sie hin und verschwand wieder.
»Ich bin neugierig, Mickey«, sagte Jonathan, nachdem er die Speisekarte überflogen und beiseite gelegt hatte. »Hat es sich gelohnt? Haben sich die langen Jahre am Great Victoria und die vielen Opfer wirklich gelohnt?«
Sie lauschte auf einen Unterton der Bitterkeit in seiner Stimme, sah ihm in die Augen, ob sie dort etwas entdecken könne. Sprach er von sich selber, von dem Leben, das sie miteinander hätten haben können, das sie jedoch ihrem Ehrgeiz geopfert hatte? Nein, sie bemerkte keine Bitterkeit an ihm, keinen Groll. Jonathan wirkte seltsam gedämpft, beinahe resigniert.
»Warum seid ihr eigentlich aus Hawaii weggegangen, du und dein Mann?«
»Ach, das hat viele Gründe. Nachdem ich meine Ausbildung am Great Victoria abgeschlossen hatte, entdeckte ich, daß ich, ganz gleich, wo ich meine Praxis aufmachte, dauernd mit den Leuten in Konkurrenz sein würde, die mich ausgebildet hatten, und mir erschien das nicht fair. Harrison meinte, es wäre besser für meine Karriere, wenn ich irgendwo auf frischem Terrain anfinge. Die Firma lief auch nicht mehr so gut, und er wollte sie aufgeben. Da ein Großteil seiner geschäftlichen Interessen in Süd-Kalifornien ist, schien es das Vernünftigste, hierherzuziehen.«
»Und jetzt hast du eine phantastische Praxis«, sagte er und winkte der Kellnerin.
»Ja«, antwortete Mickey und entschied sich für die
crêpe
mit Krabben.
Nachdem die Kellnerin wieder gegangen war, sagte Jonathan: »Du wirkst irgendwie zerstreut. Ist es dir unangenehm, daß wir hier zusammensitzen?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, ich dachte gerade an eine Freun {309} din von mir. Du kennst sie auch, sie hat mit mir zusammen studiert …« Sie erzählte ihm von Sondra. »Morgen fahre ich mit ihr nach Palm Springs«, schloß sie. »Vielleicht kann Sam Penrod ihr helfen.«
»Ja, er ist ein guter Mann«, meinte Jonathan. »Einer meiner Schauspieler verletzte sich einmal bei den Dreharbeiten so schwer, daß die örtlichen Ärzte meinten, er werde nie wieder gehen können. Sam hat seinen Fuß wiederhergestellt.« Jonathan hielt einen Moment inne und sah Mickey an. »Du hast bestimmt keinen meiner Filme gesehen.«
Mickey lachte. »Ich habe einmal mit Lobbly geschlafen. Zählt das.«
»Es gab mal eine Zeit, da hast du mit seinem geistigen Vater geschlafen.«
Ah, gefährlicher Boden. Jonathan hatte den ersten Schritt getan, aber Mickey würde ihm nicht folgen. Noch nicht.
Er sah auf das Geschenkpäckchen hinunter und spielte einen Moment mit der goldenen Schleife.
»Hast du es jemals bereut, Mickey? Daß wir nicht zusammen geblieben sind?«
»Ja, es gab Zeiten, da ich große Zweifel hatte, ob unsere Entscheidung richtig war. Ich habe damals am Great Victoria sehr einsame Nächte verbracht und oft an dich gedacht.«
»Aber jetzt ist das nicht mehr so?«
»Nein, seit ich Harrison kenne nicht mehr. Und du, Jonathan? Hast du es bereut?«
»Ja. Sehr. Mickey …« Er sah sie forschend an, als wäge er etwas ab, dann sagte er: »Das ist der Grund, weshalb ich dich allein sehen wollte. Ich wollte die Sache klären, reinen Tisch machen sozusagen. Ich kann mir vorstellen, daß du mir die ganzen Jahre sehr böse warst. Ich kann es verstehen. Und ich möchte es jetzt gern bereinigen.«
Mickey,
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