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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Jesu mit blutendem Herzen hätte es die Wohnung jeder jungen Frau sein können, die nicht viel Geld hatte und sich bemühte, aus wenigem das Beste zu machen.
    Nachdem sie die Lichter eingeschaltet und die Wohnungstür geschlossen hatte, ging sie ihm voraus in die kleine Eßecke neben der Küche.
    »Hier arbeite ich«, sagte sie, während sie aus ihrer Jacke schlüpfte.
    Es sah tatsächlich so wüst aus, wie sie es ihm beschrieben hatte: Zeitungen auf dem Boden, verschlossene Säcke mit feuchtem Ton, ungebrannte Gefäße, auf dem Tisch alle möglichen Werkzeuge, daneben die Töpferscheibe.
    Sie nahm eine kleine runde Schale mit einem geometrischen Muster und drückte sie Arnie in die Hände.
    »Solche Sachen verkaufe ich auf dem Markt an der Pike Street.«
    Er drehte die kleine Schale in den Händen, berührte sie, wo sie sie berührt hatte. Ich kaufe sie, Angeline, dachte er. Ich kaufe eine für jedes meiner Mädchen und eine für jedes Jahr meiner Ehe mit Ruth und eine für jedes Mitglied der Familie Shapiro im Staat Washington. Ich kaufe den ganzen verdammten Bestand, Angeline.
    »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    Er hob den Kopf, als er die Unsicherheit in ihrer Stimme hörte, und sah die Scheu in ihrem Gesicht.
    »Ja«, hörte er sich sagen. »Gern.«
    Plötzlich wurde er hellwach. Wie spät ist es? Wo sind die Kinder jetzt gerade? Wo ist Ruth? Ach ja, sie ist in ihrer Therapiesitzung bei Dr. Cummings. Da wird jetzt Mrs. Colodny bei den Kindern sein, wie immer, wenn Ruth nicht direkt von der Praxis nach Hause kommt. Mrs. Colodny paßt auf sie auf und macht ihnen das Essen. Nur für den Fall …
    Die Küche war winzig. Er zog Mantel und Schal aus und ging unsicher bis zum Rand des Linoleums, während sie den Filter und eine Dose Kaffee aus dem Schrank nahm. Er wollte etwas sagen, aber es fiel ihm nichts ein. Stumm beobachtete er die Bewegungen ihrer Hände und ihres Kopfes, wenn sie ab und zu das lange dunkle Haar zurückwarf.
    »Ach, verflixt«, sagte sie stirnrunzelnd. »Kein Kaffee mehr.« Sie kippte die Dose um und versuchte, die letzten Reste herauszuschütteln.
    Arnie wäre beinahe in die Knie gegangen vor Enttäuschung. Kein Kaffee, kein Grund zu bleiben. Jetzt zieh’ ich meinen Mantel wieder an und gehe brav zur Tür hinaus …
    Doch Angeline holte eine kleine Trittleiter, die neben dem Eisschrank {303} stand uns klappte sie auseinander. »Ich weiß, daß ich da oben noch irgendwo eine Dose habe.«
    »Lassen Sie mich –«
    Aber sie stand schon auf der kleinen Leiter und reckte sich zum obersten Bord des Küchenschranks.
    »Vorsichtig«, sagte er und trat einen Schritt näher.
    »Ach, keine Angst«, erwiderte sie lachend. »Ich bin das gewohnt.« Und da rutschte sie schon aus und glitt ab. Arnie breitete instinktiv die Arme aus und fing sie auf. Angeline lachte und fand rasch das Gleichgewicht wieder.
    Aber dann rührte sie sich nicht von der Stelle. Sie standen beide in der winzigen Küche, Angeline in Arnies Armen, den Kopf an seiner Schulter. Der Kühlschrank brummte geräuschvoll, und nebenan knallte eine Tür.
    Arnie legte seine Wange auf Angelines Haar. Er spürte, wie sie die Arme hob und sie um seinen Hals legte. Dann küßten sie sich. Es geschah so plötzlich, daß Arnie keine Zeit hatte, sich zu fragen, ob dies nun Wirklichkeit war oder wieder eine seiner Phantasien.
    Sie küßten sich mit einer drängenden Leidenschaft, als wäre mit einem Schlag alle aufgestaute Sehnsucht nach Liebe und zärtlicher Berührung freigesetzt worden. Lange unterdrückte Gedanken und Gefühle brachen aus ihnen beiden hervor.
    »Ach, Arnie, davon habe ich immer geträumt.«
    »Angeline, ich wußte ja nicht …«
    »Ich hatte immer so Angst, daß ich mich lächerlich machen würde, Arnie …«
    Sie war so leicht und zierlich, daß er sie hochheben konnte wie eine Puppe. Sie umschlang mit beiden Armen seinen Hals und küßte ihn, während er sie zum Sofa ins Wohnzimmer trug.
    Arnie Roth hatte alle Gedanken an die Zeit vergessen.

34
    Ärzte weinen nicht. Darauf werden sie in harten Lehrjahren gedrillt, damit sie nicht, wenn sie dem Unglück und der Tragik gegenüberstehen, zusammenbrechen wie gewöhnliche Sterbliche. Doch an diesem regnerischen Apriltag hätte Mickey beinahe alle Beherrschung verloren.
    Sondra, die spürte, wie der Freundin zumute war, beschränkte ihre Gesten auf ein Minimum, um das Augenmerk nicht auf die beiden großen, {304} schwerfälligen Hummerscheren an den Enden ihrer Arme zu ziehen.

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