Herzgespinst - Thriller
machen kannst, oder?«
Julia lachte belustigt. »Ja, das weiß ich.«
Oliver machte einen letzten Versuch. »Und ungefährlich ist es auch nicht. Ich habe es noch nicht so oft gemacht, dass ich garantieren könnte, dass es gut geht. Vor allem bei der Hitze.«
Julia stand entschlossen auf. »Willst du kneifen, oder was?«
Oliver schüttelte den Kopf. »Unsinn«, widersprach er. »Aber wir könnten es auch woanders tun. Warum ausgerechnet hier? Es gibt nicht mal Wasser.«
Julia antwortete nicht sofort. Sie sah aus der Dachluke hinaus auf das Feld.
»Nein, es muss hier passieren. Ich will es so.«
Sie kletterte die Leiter hinunter und öffnete ihren Rucksack. In ein Taschentuch eingewickelt, hatte sie alles dabei, was nötig war. Sie breitete es auf einem Hocker aus.
Oliver war ihr gefolgt und sah ihr über die Schulter zu.
»Hast du das Spray? Das brauche ich unbedingt.«
Julia schüttelte den Kopf. »War nicht zu kriegen. Ich habe es bestellt.«
Oliver verzog unwillig den Mund. »Das macht die Sache nicht einfacher. Wieso gehst du so ein Risiko ein?«
Julia merkte an seiner Stimme, dass er verärgert war. Sie ergriff seine Hand und wiederholte trotzig: »Weil ich es so will.«
Oliver entspannte sich. Er musste grinsen. »Du bist echt ein stures Kälbchen. Na gut. Also los.«
Er sah sich abschätzend um und entdeckte einen Anhänger mit zerschnittenen Reifen. »Am besten du legst dich da hinein auf den Rücken. Dann muss ich mich nicht so weit hinunterbeugen und dein Bauch bleibt straff.«
Julia warf ihm einen koketten Blick zu. »Mein Bauch ist straff. Ich mache jeden Tag vor der Schule zwanzig Sit-ups.« Sie kletterte auf den Anhänger.
Oliver grinste. »Mädchenkram. Wenn du so viele Bierkästen stemmen würdest wie ich in der Roten Sonne , müsstest du nicht so einen albernen Unsinn machen. Die Sit-ups kannst du für die nächsten Wochen auch erst mal vergessen. Könnte sonst Probleme geben. Schieb mal dein Hemd hoch.«
Julia reckte ihm ihren Bauch entgegen. »Mach doch du. Du weißt wie weit.«
Sie trug eine enge kurzärmelige Bluse mit feinen blauweißen Vichy-Karos. Die Hemdzipfel waren unter dem Bauchnabel lose verknotet.
Oliver öffnete den Knoten behutsam und schob die Bluse über den Bauchnabel bis zu ihrem Brustansatz. Sie trug keinen BH .
»Du kannst das Hemd ja danach weiter oben binden«, sagte er. »Bis die Wunde getrocknet ist.« Er holte einen Kugelschreiber aus seiner Hosentasche und markierte die zwei Einstichstellen über dem Bauchnabel.
Dann suchte er sich eine der Nadeln aus, die auf dem Taschentuch lagen und atmete tief durch. »Wirklich bescheuert, dass du das Spray nicht besorgt hast. Unnötiges Risiko. Ich hoffe nur, dass du wenigstens die Nadeln nicht mit schmutzigen Fingern angefasst hast. Womit soll ich denn jetzt desinfizieren?«
Julia verdrehte die Augen. »Schon gut. Ich habe es kapiert. Mit Blut natürlich. Nichts reinigt eine Wunde so zuverlässig wie Blut. Hättest im Unterricht besser aufpassen sollen.«
Oliver antwortete nicht. Er biss sich angespannt auf die Lippen und ergriff die Hautfalte über dem Nabel mit zwei Fingern.
»Jetzt piekst es gleich«, sagte er sanft. »Aber nur ein bisschen.«
Sein Tonfall und die Art, wie er mit ihr sprach, erinnerten Julia an früher.
Als sie klein war, hatte sie schreckliche Angst vor Spritzen gehabt. Ihr alter Kinderarzt war der Einzige, der sie impfen durfte, ohne dass sie schon vorher umkippte. Und das auch nur, wenn Oliver dabei war.
Kurz bevor der Arzt die Nadel ansetzte, wechselte er einen verschwörerischen Blick mit Oliver und dann sagte Oliver genau diesen Satz und hielt ihre Hand. Sie wusste, dass sie sich hundertprozentig darauf verlassen konnte, dass es nicht wehtun würde.
Jedenfalls nicht so, dass sie die Schmerzen nicht ertragen konnte.
Julia sah Oliver unverwandt an, als er zu stechen begann. Obwohl ihr nach kurzer Zeit Schweißperlen auf der Stirn standen, gab sie keinen Ton von sich.
Sie spürte, wie das Blut warm über ihren Bauch rann. Oliver wischte immer wieder mit dem Handrücken darüber. Seit er mit dem Stechen begonnen hatte, wirkte er voll konzentriert und überhaupt nicht mehr ängstlich. Es war seinem Blick anzusehen, dass er wusste, was er tat. Wie jeder gute Chirurg.
»Dieser Ring?« Er hielt ihn ihr direkt vor die Augen.
Julia nickte. Sie hatte Angst, dass das erste, was aus ihrem Mund kam, ein Stöhnen war. Deshalb sagte sie lieber nichts.
»Hübsch.« Oliver betrachtete den Ring
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