Herzgespinst - Thriller
schenkte ihm eine weitere Tasse ein.
Kurt Jansen lächelte sie an. »Du bist ziemlich pfiffig, Julia. Ganz meine Nichte. So oder so ähnlich könnte es tatsächlich gewesen sein.« Er zeigte auf ihren Hals.
»Du hast da übrigens eine tolle Kette. Ist das Bernstein? Ein besonders schönes Stück. Darf ich den mal anfassen? Ich wollte schon immer wissen, wie sich dieser Edelstein anfühlt. Sieht fast aus wie ein Herz.«
Oliver saß ganz schön in der Klemme wegen dem toten Mädchen, dachte Julia zufrieden und räumte die Kaffeetasse und den Zucker weg, als sie wieder allein war. Hoffentlich zog er endlich eine Lehre daraus, falls die Geschichte noch einmal gut für ihn ausging.
Sie musste sich überlegen, womit sie ihn entlasten konnte.
Der Nachmittag mit Onkel Kurt war richtig nett gewesen. Schade, dass er nicht länger geblieben war. Nachdem er seinen zweiten Kaffee ausgetrunken hatte, war er plötzlich schrecklich in Eile gewesen. Aber er hatte ihr ja versprochen, dass er so bald wie möglich wieder vorbeischauen wollte.
Er hatte erzählt, dass Oliver gar nicht mehr bei seiner Mutter wohnte, sondern in der Scheune. Das war ja beinahe rührend.
In der Scheune hatte Oliver ihr das Piercing gestochen, dort hatten sie sich zum allerersten Mal geliebt. Vielleicht sollte sie ihn mit ihrem Besuch überraschen. Dann würde sich vielleicht alles wieder zwischen ihnen einrenken.
Er würde einsehen, wie sehr er sie brauchte, und Julia konnte sich endlich für die Kette bedanken. Die war ja ohnehin von Anfang an für sie bestimmt gewesen.
Sie griff nach dem Bernstein an ihrem Hals und erschrak.
Sie suchte vergeblich danach, bis ihr einfiel, dass Onkel Kurt den Bernstein voller Neugier betrachtet hatte.
Julia kochte vor Wut.
Onkel Kurt hatte die Bernsteinkette eingesteckt. Er hatte auf eine ganz miese Weise ihr Vertrauen gewonnen und sie danach betrogen.
Das sollte er büßen.
Oliver machte sich nichts vor. Er wusste, dass alle Indizien gegen ihn sprachen.
Trotzdem hatte er es nicht getan.
Es machte ihn wahnsinnig, dass er nicht wusste, wer Shiva getötet hatte und warum. In den ersten Tagen hatte er gedacht, dass er selber sterben müsse vor Traurigkeit.
Jeden Tag seit Shivas Tod hatte Kurt vorbeigeschaut.
Zuerst hatte Oliver gedacht, dass er ihn überwachen musste, aber dann hatte er kapiert, dass er aus freien Stücken kam, einfach nur mit ihm quatschen wollte, auf der verzweifelten Suche nach dem entscheidenden Indiz, das Oliver retten konnte.
Vo ller Trauer hatte Oliver angefangen, aus seinem Leben zu erzählen. Es tat ihm gut, dass Kurt ihm einfach nur zuhörte.
Sogar die Bernsteinkette hatte Oliver erwähnt; wie er sie auf dem Flohmarkt gefunden und dann Shiva geschenkt hatte, und schließlich hatte er zum ersten Mal um seine tote Freundin geweint und Kurt hatte ihn in seine Arme genommen und wortlos getröstet.
Momentan allerdings fühlte er gar nichts mehr. Kurt hatte ihm erst gar keine Hoffnungen gemacht, dass ihm sein Anwalt aus der Patsche helfen könnte. Indizienprozesse waren kompliziert und ihr Ausgang ungewiss. Aber eigentlich war ihm das ohnehin egal.
Kurt Jansen glaubte nicht an Gott. Noch weniger an Gerechtigkeit. Aber dass im Labor die DNA von Shiva an der Bernsteinkette nachgewiesen werden konnte, hielt selbst Kurt Jansen für eine durchaus göttliche Fügung.
38
J ulia sah den Einsatzwagen schon aus ziemlich weiter Entfernung.
Sie schob ihr Fahrrad so leise wie möglich über den steinigen Hof und fuhr quer über das abgeerntete Weizenfeld davon.
Ihr Herz klopfte unregelmäßig, als wäre es aus dem Takt geraten. Seit ihre Mutter mit Onkel Kurt telefoniert hatte, war ihr ziemlich klar, was sie erwartete. Sie fand es gemein, dass er ihre Mutter zum Weinen gebracht hatte.
Auch wenn sie sich schon vor dem Tod ihres Vaters keine besonderen Gedanken über ihre Mutter gemacht hatte.
Sie hatte ihren Vater am allermeisten geliebt. Deshalb fand sie es einfach nicht richtig, dass er Oliver seine Armbanduhr geschenkt hatte. Es war ganz schön anstreng end gewesen, die Reifen von Olivers Rennrad zu zerschn eiden. Die dummen Dinger wollten einfach nicht kaputtgehen.
Ihr Vater war wütend gewesen, dass Julia anstelle von Oliver auf dem Acker erschienen war, um ihm bei der Ernte zu helfen, weil die Zeit drängte.
Zuerst hatte er unentwegt geschimpft und später hatte er sie ausgelacht, als sie vor Angst auf dem hohen Mähdrescher laut schrie. Nie hatte er sie ernst genommen. Am Ende hatte
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