Herzgespinst - Thriller
gewürgt. »Shiva!«, er schrie ihren Namen beinahe. »Wer sonst?«
Matti schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich hab sie nicht gesehen. Ich dachte, du hättest sie inzwischen gefunden.«
Die Schneewittchen-Aufführung um fünf Uhr war die allererste Vorstellung in der Geschichte der Flying Fairy Tales , die ausfallen musste. Denn Shiva war und blieb verschwunden. Einige besonders kleine Kinder weinten bitterlich, als sie hörten, dass es keine Märchenstunde gab. Sie hatten sich einfach schon riesig darauf gefreut.
Es war Matti, der die zündende Idee hatte, wie man die Kinder trösten konnte.
»Also, mit Shivas Puppen komme ich nicht klar, aber wir könnten das Märchen doch in verteilten Rollen nachspielen. Das wäre bestimmt lustig. Machst du mit, Oliver? Ich bin mir sicher, dass Shiva uns nur aus einem ganz wichtigen Grund im Stich lässt und sie wäre bestimmt erleichtert, wenn sie wüsste, dass wir ihre Vorstellung übernehmen.«
Oliver fand Mattis Vorschlag total crazy. Aber schließlich waren sie im Zirkus. Da war eigentlich alles möglich.
»Okay«, sagte er. »Ich kann am besten den Prinzen. Den habe ich früher oft gespielt.«
»Dann mache ich das Schneewittchen«, grinste Matti. »So kann ich gleich mal ausprobieren, ob du tatsächlich so gut küssen kannst, wie meine Schwester sagt.« Shivas und Mattis Vater übernahm den Jäger, und als er Schneewittchen in den Wald führte, um es zu töten, machte er das so echt, dass sogar die großen Kinder vor Angst schrien.
»Das haben wir echt gut hingekriegt«, sagte Matti zufrieden. »Ich sollte auf Schauspieler umsatteln. Das nächste Mal will ich die Stiefmutter spielen oder den fiesen Jäger. Die Bösen sind viel lustiger. Findest du nicht auch, dass Schneewittchen in Wirklichkeit ziemlich feige ist? Ich hätte sofort kapiert, dass sich nur diese böse Stiefmutter verkleidet hat, um mich zu töten und hätte ich ihr einen Schwunghaken verpasst, von dem sie wie eine Rakete ins Schloss zurückgeschossen wäre. Und zwar für immer.«
Oliver starrte Matti verblüfft an. Genau das hatte Julia auch immer gesagt, wenn sie als Kinder Schneewittchen gespielt hatten. Auf einmal bekam er ein ganz merkwürdiges Gefühl. Es war nicht normal, dass Shiva so lange verschwunden war und er wusste, dass er sofort handeln musste.
»Wir können nicht länger einfach abwarten, dass Shiva zurückkommt«, sagte er mit fester Stimme. »Wir sollten die Polizei anrufen.«
Matti schüttelte den Kopf. »Polizei im Zirkus? Keine gute Idee. Das vertreibt bloß die Zuschauer. Die denken dann wieder nur, dass hier was geklaut wurde oder sonstige krumme Dinger. Haben wir schon öfter erlebt. Außerdem ist sie ja nicht einmal 24 Stunden fort. Damit ist nie mand hier einverstanden, so machst du dich nicht beliebt.«
Oliver widersprach ungeduldig. »Aber das kann doch kein Grund sein, nicht nach ihr zu suchen. Vielleicht hatte sie einen Unfall, und kann sich nicht von der Stelle bewegen oder sie ist bewusstlos … Machst du dir denn gar keine Sorgen um deine Schwester?«
Matti schwieg bedrückt.
Auf einmal hatte Oliver eine Idee. »Hör zu, ich kenne jemanden bei der Polizei. Ist eigentlich ein echt guter Typ. Den kann ich einfach mal privat fragen. Der stellt sich nicht so an. Einverstanden?«
Die Handynummer von Kurt Jansen war nur in Olivers verlorenem Telefon gespeichert. Aber vermutlich war es ohnehin besser, einfach bei ihm auf der Wache vorbeizuschauen.
Kurt Jansen war mehr als überrascht, als Oliver bei ihm auf der Wache auftauchte. »Oliver! Ich dachte, du hasst mich jetzt bis an dein Lebensende«, sagte er gespielt theatralisch. »Wie geht es Julia? Glaub mir bitte, es ist nicht so, dass mir meine Nichte nicht am Herzen liegt. Sie ist ein sehr verletzliches Mädchen und deshalb …«
Oliver unterbrach ihn. »Es geht heute gar nicht um Julia«, sagte er hastig.
»Ich habe sie nach unserem Treffen auf dem Bauernhof nicht mehr gesehen. Ich glaube, sie ist sauer auf mich. Aber das spielt jetzt gerade keine Rolle. Shiva ist seit heute früh nicht mehr im Zirkuscamp gewesen und ich wollte dich bitten, für mich ihr Handy zu orten.«
Kurt Jansen lachte laut auf. »Na, du fackelst wenigstens nicht lange und sagst rundheraus, was Sache ist. Mein Lieber, ich kann nicht einfach so ein privates Handy auskundschaften. Vielleicht ist sie gerade beim Friseur, oder shoppen oder bei ihrem Freund … Vergiss es.«
Oliver schüttelte ungeduldig den Kopf.
»Alles Quatsch«, sagte
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