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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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weiß doch überhaupt nicht, mit wem sie geschlafen hat, das dumme Ding!
    »Vicki«, sagt Charlotte Sandmann. »Du hast jemanden stark belastet, du hast ihm vorgeworfen, er hätte dein Leben ruiniert, dabei hättest du ihm fast das Leben ruiniert. Nun sei ehrlich, Vicki. Wer ist der Vater deines Kindes? Du bist es dem Kind schuldig, dass du die Wahrheit sagst! Oder soll dein Kind eine Lügnerin zur Mutter haben?«
    Auf einmal geht ein Ruck durch Vicki. Sie schaut geradewegs in die Kamera: »Okay. Wenn ihr es genau wissen wollt: Ich war wirklich bei der Nachhilfe. Abends. In der Schule. Aber wir haben nicht nur Mathe gemacht, der Rottw…, der Wolfgang und ich. Er hat gesagt, er lässt mich in die nächste Klasse aufsteigen, wenn ich … wenn ich … nix sage. Und ich hab nix gesagt.«
    Ach du Scheiße. Ich muss mich setzen. Ich sinke auf die Stufe, über die ich gerade dem Ausgang entgegenschweben wollte. Mein eleganter Abgang ist misslungen. Meine Beine fühlen sich an wie aus Gummi. Ich glaube, nie wieder aufstehen zu können.
    »Und als ich ihm gesagt habe, dass ich meine Regel nicht krieg, da hat er gesagt, wir schieben es dem Penner in die Schuhe, und das funktioniert schon. Meine Eltern werden mir dann erlauben, dass ich abtreibe. Und er gibt mir einen Zweier, wenn ich nix sag, dann kann ich Matura machen und studieren. Er hat gesagt, er hat mich vor dem sozialen Untergang gerettet, und ich kann ihm dankbar sein.«
    Eine tonnenschwere Last drückt mich zu Boden. Ich kann keinen Laut von mir geben. Ich kann mich nicht rühren. Ich kann noch nicht mal zu Georg sehen.
    Auch dem Richter scheinen die Worte zu fehlen. Die Beisitzer schütteln stumm den Kopf, und die Protokollantin scheint vergessen zu haben, dass sie zehn Finger besitzt.
    Mir zittern die Hände, und ich merke zu meinem Schrecken, wie mir die Tränen über die Wangen laufen.
    Der Klassenlehrer meiner eigenen Tochter!
    Darum hat er bei unserem Vieraugengespräch so merkwürdig reagiert! Darum ist er so hellhörig geworden, als ich sagte, dass Georg im Gefängnis sitzt! Und deshalb war er hinterher im Unterricht so durch den Wind!
    Mein Gott, denke ich, es hätte auch Fanny treffen können.
    Meine kleine, unschuldige, vertrauensselige Fanny.
    Verstört ringe ich nach Luft.
    Sie ist ihm anvertraut, genau wie die anderen dreißig jungen Menschen, und er hat sich das schwächste Schäfchen ausgesucht, das gestrauchelte, schwarze Schaf, das auf der Salzachböschung seinen Halt verloren hatte.
    Das schwächste. Ich schnappe verzweifelt nach Luft.
    Was für ein erbärmlicher Mensch.
    Mit der Zeit macht mein Entsetzen Erleichterung Platz. Das heißt, Georgs Unschuld ist endgültig bewiesen! Georg ist frei!
    Georg ist auf der Stelle frei!

34
     
    J etzt, wo ich zurückdenke an den Tag der Verhandlung, wird mir ganz kalt.
    Georg, Falk und ich standen noch eine Weile vor dem Gerichtsgebäude, ich fühlte mich so ähnlich wie nach meiner Scheidung, nur wusste ich in dem Moment nicht, von wem ich mich gerade hatte scheiden lassen. Falk hielt den Geldkoffer, den der Richter ihm ausgehändigt hatte, und fragte etwas verlegen, wem er den denn nun geben solle. Ich zeigte auf Georg, und Georg zeigte auf mich, und so stellte Falk den Koffer einfach zwischen uns auf den Boden. Wir waren alle drei schrecklich verlegen, gratulierten uns und wussten nicht, was wir sagen sollten. Falk wollte den Arm um mich legen, weil ich fröstelte, aber aus irgendeinem Grund wich ich ihm aus. Wir tauschten noch ein paar Belanglosigkeiten aus, und Falk fragte in ziemlich sachlichem Ton, an welche Adresse er die Rechnung schicken solle. Georg und ich schauten beide wie auf Kommando auf den Geldkoffer, und dann haben wir Falk seine insgesamt 15 600 Euro in bar ausgezahlt. Mitten auf dem belebten Vorplatz vor den Barmherzigen Brüdern, und Falk fragte, ob wir eine Quittung bräuchten, aber Georg und ich sahen uns an und schüttelten nur den Kopf. Unsere Blicke waren gleißender als die goldene Kuppel der Kajetanerkirche vor uns, und auf einmal fiel Falk ein, dass er noch einen wichtigen Termin hätte.
    Georg und ich, wir fröstelten vor uns hin und wussten nicht, wie wir einen halbwegs würdigen Abschied hinkriegen sollten.
    Allerdings wollte ich mit Georg auf keinen Fall irgendwohin gehen, ins Café oder so, denn dann wären wir uns in die Arme gefallen und nie wieder voneinander losgekommen. Mein Herz riss an der Leine und schrie, dass ich Georg mit nach Hause nehmen und ihn in die heiße

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