Herzgesteuert: Roman (German Edition)
zusammen, ich sehe aus den Augenwinkeln, wie er eine andere Sitzposition sucht, so überrumpelt ist er. Seine Augen weiten sich, und sein Blick schenkt mir eine Wärme, die mich schwach werden lässt. Meine Güte, was mache ich. Was mache ich!
Mir war noch nie so schlecht. Und gleichzeitig war ich noch nie so sicher, das Richtige zu tun.
Auch wenn es mich meine Karriere kostet. Und meinen guten Ruf. Es ist mir egal, was Falk von mir denkt. Es ist mir egal, wenn die ganze Stadt erfährt, dass ich was mit einem stadtbekannten Penner hatte.
Ich stehe dazu.
Georg zuliebe.
Er ist unschuldig.
Mit zitternden Knien taste ich mich ein paar Stufen hinab, wobei ich mich am Geländer festhalten muss, bis ich vor dem Richter stehe.
Der würdevolle alte Herr mit den weißen Haaren und der Brille ist offensichtlich aus dem Konzept geraten: »Wer hat Sie hier hereingelassen?«
Ich fahre mir nervös durch die Haare, weiß nicht, was ich sagen soll, und fühle mich wieder wie ein Schulmädchen, das vor dem Direktor steht, weil es etwas ungeheuer Verbotenes getan hat. Aber verdammt, das hier ist meine Baustelle, jetzt, wo sowieso schon alles in Schutt und Asche liegt, wird endlich aufgeräumt.
»Ähm … hohes Gericht, werte Beisitzer, werte Anwesende … äh …« Wie geht das immer im Fernsehen? »Mein Name ist Juliane Hempel … Ich war noch nie vor Gericht, und ich bitte, mein Hereinplatzen zu entschuldigen …«, plappere ich los und spüre, wie sich dunkelrote Flecken an meinem Hals hochziehen wie kleine Giftschlangen. »Mich hat niemand hereingelassen, ich bin einfach … ähm … Aber ich bin die Mutter von der besagten Fanny, der … ähm … Freundin von Vicki.« Ich zeige auf die Scheibe zum Nebenzimmer. »Und ich bitte, mich als Zeugin zu verhören. Ähm. Zu vernehmen. Zu vereidigen.« Mist. Das war bestimmt voll daneben. Plötzlich wird mir klar, wie lächerlich ich mich verhalte.
Der Richter schaut mich streng über seine Brille hinweg an.
»Das geht so nicht, junge Frau … da müssen Sie schon auf eine Vorladung warten … Und die muss Ihnen offiziell zugestellt werden. Aber das können Sie jetzt gerne beantragen.« Er wendet sich seinen Beisitzern zu, diese beratschlagen sich und nicken zustimmend.
Lässt er mich jetzt abführen? Und was passiert dann mit Georg?
»O nein, Euer Ehren. Das hier kann keine Minute mehr warten. Ich möchte eine Aussage machen. Und zwar jetzt. Vorher gehe ich hier nicht weg!« Ich klammere mich an seinen Schreibtisch, dass die Knöchel an meinen Händen ganz weiß werden.
Mir wird ganz heiß, bestimmt falle ich gleich in Ohnmacht. Falk. Den habe ich jetzt total blamiert.
Der wird mich in den Wind schießen.
Aber er fängt sich sofort und sagt: »Ich beantrage, Frau Hempel als Zeugin zu hören.«
Mein Gesicht glüht, und Tränen verschleiern mir die Sicht, als mein Blick den von Georg kreuzt. Täusche ich mich, oder sehe ich so etwas wie einen Funken Hochachtung in seinem Gesicht? Auf jeden Fall Hoffnung. Und … Liebe.
Wenn ich einmal in liebende Augen geblickt habe, dann in diesem Moment.
Ich schaue schnell weg, versuche, Herz und Hirn wieder in Einklang zu bringen.
Der Richter räuspert sich, putzt seine Brille, tauscht Blicke mit seinen nickenden Beisitzern und zeigt schließlich auf meine Wenigkeit: »Bitte. Wenn es nicht zu lange dauert.«
»Ähm, also gut. Ja. Der Stofffetzen da …« Ich zeige mit der Hand aufs Nebenzimmer, in dem die ahnungslose Vicki und ihre Mutter vor sich hin weinen, während Charlotte Sandmann auf weitere Anweisungen wartet. »Tja also, das klingt jetzt etwas konfus, aber der gehört mir. Also, der war an meinem Kostüm. Das kann ich beweisen. Ich habe es zu Hause.«
Ich höre, wie die Richter nach Luft schnappen, aber es ist mir egal. Das hier ist das Beste, was ich je gemacht habe.
»Aha. Und wieso wurde er dann unter der Trauerweide im Park gefunden?«
»Weil ich …« Mir verschlägt es die Sprache. Was mache ich denn jetzt für ein Fass auf? Wenn ich A sage, muss ich auch B sagen … und schlimmer noch, C! Wahrscheinlich kann ich die Klappe nicht halten, bis ich bei Z angelangt bin!
»Weil ich unter der Trauerweide war«, stoße ich verzweifelt hervor. »Und zwar am Morgen des 20. September.«
»Was hatten Sie am 20. September unter der Trauerweide zu suchen?«
»Nichts. Ich habe Georg den Geldkoffer in den Einkaufswagen gesteckt. Ohne sein Wissen. Er hat mich nie darum gebeten. Ich habe es aus freien Stücken getan.«
»Warum in
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