Herzgrab: Thriller (German Edition)
ersten Sätzen, die sie belauscht hatten, worum es ging. Am liebsten hätte sie die Übertragung gestoppt und den Beschattungsauftrag abgebrochen. Das war eine Sache für die Kripo.
Gerhard Hödel war knapp sechzig Jahre alt, eine charismatische Person, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Hödel-Immobilien-Bank mit zwölf Niederlassungen in Wien und Osteuropa und nagte nicht gerade am Hungertuch. Trotzdem zahlte er bestimmt keine dreitausend Euro, um jetzt auszusteigen.
Mittlerweile wusste er, dass seine Tochter ein dubioses Verhältnis unterhielt, für das sie viel Geld benötigte. Was er mit dem Videomaterial anfangen wollte, blieb ihm überlassen. Er hätte seine Tochter damit fertigmachen, beruflich und privat ruinieren können. Aber Elena vermutete, dass er nur Gewissheit brauchte, was seine Tochter in ihrer Freizeit trieb, um seine kleine Familie zusammenzuhalten. Sie schätzte, dass er Lydia nicht einmal würde wissen lassen, dass er von ihren geheimen Treffen und den abgebuchten Geldbeträgen wusste. Er wollte ihr helfen, falls sie in Schwierigkeiten steckte. Die Frage war allerdings, ob das funktionieren würde, wenn man einander misstraute und nachspionierte. Doch das war Hödels Problem.
Jedenfalls war Lydia mit dem raubeinigen Mann nicht ins Bett gestiegen. Sie saßen beide auf dem Bett – angekleidet – und unterhielten sich. Lydia hatte nicht einmal ihre Sonnenbrille abgenommen, und ihr Begleiter hatte nur das Sakko abgelegt.
» Können Sie den Ton lauter stellen? « , fragte Hödel.
Elena schüttelte den Kopf. Die Lautsprecher des Notebooks waren bereits bis zum Anschlag aufgedreht.
Sie lauschten.
» Reichen diese Unterlagen? « , erklang Lydias Stimme vom Verkehrslärm der Straße überlagert aus dem Notebook.
Der Mann nickte. » Denke schon. «
Elena konnte es nicht genau identifizieren, aber seine Stimme hatte einen bosnischen oder serbischen Akzent. Die Bewegungen seiner Lippen erschienen zeitverzögert auf dem Monitor.
Lydia kramte ein Foto aus ihrer Handtasche und legte es zwischen ihnen auf das Bett. » Hier ist noch ein Foto von ihm. «
» Falls sich eine Änderung in seinem Terminkalender oder bei seinen Dienstreisen ergibt, rufen Sie diese Nummer von einer Telefonzelle aus an. Ich sage Ihnen, wann es losgeht. Dann sollten Sie am besten im Ausland sein. «
Gerhard Hödel zog an seinem Krawattenknoten. » Meine Tochter will jemanden überwachen lassen? «
» Vermutlich geht es um Sie. «
Hödel starrte sie ungläubig an. » Das ist doch ein Witz! Ich bin seit fünfzehn Jahren Witwer und hatte seit dem Tod meiner Frau keine Beziehung mehr. Ich habe mein gesamtes Leben für sie … «
» Ihre Tochter möchte Sie nicht beschatten lassen « , unterbrach Elena ihn.
» Was zum Teufel dann? Ich dachte … «
Elena ließ die Aufzeichnung weiterlaufen, schaltete jedoch den Ton ab. Hödel musste nicht alle Details erfahren.
Irritiert blickte er auf die verstummten Lautsprecher. » Was tun Sie da? «
» Atmen Sie tief durch. « Elena hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Hödel missverstand die Situation. So abgebrüht er möglicherweise als Bankvorsitzender agierte, so blauäugig war er als Vater. » Ich fürchte, Ihre Tochter hat jemanden engagiert, der Sie töten soll. «
Hödel stand einfach nur da und starrte zuerst auf Elena, dann auf die tonlosen Bilder. Kein Wutausbruch, kein Nervenzusammenbruch, kein verzweifeltes Jammern oder Schluchzen.
» Das ist doch Blödsinn « , sagte er schließlich.
» Ich fürchte, nicht. Alles, was ich bisher gehört habe, deutet darauf hin. «
» Aber warum? «
» Sie sind vermögend. «
» Lydia doch auch « , hielt er dagegen. » Sie ist Geschäftsführerin und handelt mit Gemälden und Antiquitäten. Sie hat alle Freiheiten. Hätte sie weiterhin nur kleine Beträge vom Konto abgehoben, wäre ich dem nie nachgegangen. Ich verstehe das nicht. «
» Meines Erachtens haben Sie drei Möglichkeiten. Wollen Sie sie hören? «
Hödel hob den Blick und nickte schwach.
» Erstens: Sie gehen mit diesem Video zur Kripo, erstatten Anzeige gegen Ihre Tochter und ersuchen um Personenschutz. Ich habe einen Kontakt zum Bundeskriminalamt … «
Er schüttelte den Kopf. Natürlich wollte er sein einziges Kind, das er über alles liebte, nicht in den Knast bringen.
» Zweitens: Sie spielen mit offenen Karten und zeigen die Aufnahme Ihrer Tochter. «
Diesmal schüttelte er noch energischer den Kopf. Damit würde er schließlich zugeben, dass
Weitere Kostenlose Bücher