Herzschlagzeilen
Zimmer.
»Isa, warum gehst du denn nicht ans Telefon? Ich habe es extra so lange klingeln lassen.« Vorwurfsvoll deutet sie auf den Apparat.
»Ans Telefon? Aber ich dachte … ich kann doch nicht einfach …« Marc, denke ich plötzlich. Um Himmels willen, wenn das jetzt Marc war! Ich spüre, wie mein Herz vor lauter Aufregung schneller schlägt und meine Hände feucht werden.
»War das denn jemand für mich?«, frage ich und bete stumm. Bitte, bitte lass es nicht Marc gewesen sein. Ich werde es mir niemals verzeihen, wenn Marc versucht hat, mich anzurufen, und ich einfach nicht ans Telefon gegangen bin.
Zu meiner riesengroßen Erleichterung schüttelt Rosa den Kopf. »Nein, Schätzchen, das war ich.«
Irritiert sehe ich sie an. Warum hat sie mich angerufen? Ich will sie gerade fragen, als sie mich schon unterbricht.
»Draußen am Empfang ist ein junger Mann, der dich sprechen möchte. Er wartet jetzt schon ganz schön lange und er sagt, er hat nicht so viel Zeit.«
Ein junger Mann? Draußen? Am Empfang? Ich springe so hektisch auf, dass mein Stift und mein Collegeblock in hohem Bogen vom Tisch segeln. Rosa quietscht erschrocken auf und weicht einen Schritt zurück.
Ich stürme zur Tür. Marc ist hier! Draußen am Empfang steht er sich schon die ganze Zeit die Beine in den Bauch und ich lasse ihn warten. Bei dem Gedanken an seinen Mund, der sicherlich gleich meinen Mund zur Begrüßung küssen wird, durchzucken mich kleine grelle Blitze. Die Schmetterlinge schrecken auf und flattern hektisch in Deckung. Fast hätte ich Rosa vor lauter Vorfreude im Vorbeirennen geküsst, aber dann kann ich mich gerade noch beherrschen. Im Laufschritt eile ich durch die Redaktion zum Empfang, zweimal renne ich fast jemanden um, einmal biege ich falsch ab. Wie sehe ich eigentlich aus? Jetzt ärgere ich mich, dass ich nicht erst noch schnell einen Blick in den Spiegel geworfen habe. Zwar habe ich mich auch heute Morgen wieder geschminkt und die Haare sind frisch gewaschen, aber allzu viel Zeit habe ich für mein Styling nicht verschwendet. Egal. Dafür ist es jetzt sowieso zu spät. Ich beiße mir schnell noch mal auf die Lippen, damit sie wenigstens gut durchblutet sind, dann lecke ich mit der Zunge noch einmal drüber. Das muss reichen. Bei meinen Haaren muss es genügen, dass ich sie mit den Händen noch mal kräftig durchwuschele, um ihnen diesen typischen coolen »Ich bin gerade aus dem Bett gefallen«-Look zu verpassen. Und so ähnlich fühle ich mich ja auch.
Endlich bin ich da. Hoffentlich ist Marc auch noch da. Mit klopfendem Herzen öffne ich die Tür zum Vorraum.
»Marc?«
Vor dem Tresen steht jemand und wartet. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, weil er sich gerade über eine Zeitung beugt. Aber ich sehe sofort, dass das nicht Marc ist. Da, wo sich schwarze Locken kringeln sollten, wächst leuchtend rotes buschiges Haar. In meinem Bauch fallen sämtliche Schmetterlinge einfach wie Kieselsteine zu Boden.
Der Jemand hebt den Kopf.
»Hi, Isa«, sagt er und winkt. »Ich habe zwei Stunden frei und da wollte ich dich einfach mal hier besuchen.«
»Hi, Luke. Tolle Idee!«, quetsche ich heraus und möchte am liebsten weglaufen.
Wir setzen uns an den kleinen Besuchertisch im Vorraum. Auf keinen Fall will ich mit Luke allein in
Wefis
Büro sein. Hier sind wir zwar auch allein, keiner kann uns reden hören, aber zumindest kann Rosa uns von ihrem Empfangstresen aus sehen und das erscheint mir im Moment einfach sicherer.
»Hast du Termine heute?«, fragt Luke, und ich spüre sofort, wie schwer es ihm fällt, überhaupt etwas zu fragen.
Schnell schüttele ich den Kopf. Nein, keine Termine.
»Mein Ausbilder ist noch gar nicht da«, erkläre ich ihm. »Aber ich glaube, heute haben wir keine Außentermine.« Hoffentlich nimmt Luke mir das ab. Genau genommen habe ich nämlich überhaupt noch keine Ahnung, was heute auf dem Programm steht. »Warum hast du frei?«
Es interessiert mich überhaupt nicht, warum er freihat, aber irgendwas muss ich schließlich fragen, sonst sitzen wir die ganze Zeit hier an diesem Besuchertisch und schweigen uns an.
»Wir machen heute Abend Fotoaufnahmen im Theater. Eine Generalprobe. Die Bilder sollen dann zu Werbezwecken in die Schaukästen. Das wird spät werden, deshalb hat mir mein Ausbilder ein paar Stunden freigegeben zum Ausgleich.«
Ich nicke. Sagen kann ich dazu nichts. Überhaupt fällt mir jetzt nichts mehr ein, über das wir sprechen könnten. Und das irritiert mich. Luke mag sein,
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