Herztod: Thriller (German Edition)
»Ja, so ist das.«
»Und ein kühles Herz«, fügte Martina leise hinzu und drehte sich dann abrupt um.
Carolines Eltern sahen aus wie ein Geschwisterpaar – sie waren von ähnlicher kräftiger Statur, nahezu gleich groß, blass, ernst. Mit fragenden, nein, ängstlichen Augen blickten sie Hannah entgegen, nachdem Martina sie einander vorgestellt und die Werkstatt wieder verlassen hatte. Im Hintergrund werkelten zwei junge Männer, das Radio lief – NDR 2. Herbert Meisner wischte sich schließlich die Hände an einem Lappen ab und bot ihr einen Sitzplatz in einer winzigen Teeküche an, die direkt von der Werkstatt abging.
Etwas Neues erfuhr Hannah zunächst nicht. Beide bestätigten im Wesentlichen die Aussagen von Martina und vom Großvater und zeichneten das Bild einer taffen, zurückgezogenlebenden Frau, die ihren Job mochte, darüber hinaus gerne reiste, aber noch nie allzu viel von sich preisgegeben hatte und sich nicht scheute, ihre Bedürfnisse durchzusetzen, ohne dabei allzu viel auf die Meinung anderer zu geben. Weder Luise noch Herbert Meisner hatten eine Idee, was ihre jüngere Tochter in Blankenese vorgehabt haben könnte, und auch sie wussten nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob es einen Freund oder Liebhaber gab, konnten sich aber vorstellen, dass Caroline lediglich nicht über diesen Bereich ihres Lebens sprach.
Das letzte Mal gehört hatten sie von ihrer Tochter am Vorabend ihres Verschwindens. »Sie hat am Donnerstagabend kurz durchgerufen«, berichtete Luise Meisner. »Noch ein paar Kleinigkeiten wegen Freitag klären. Nichts Besonderes. Sie klang wie immer.« Die Frau schluckte und wich dem Blick der Kommissarin aus.
»Wie würden Sie das Verhältnis der Schwestern zueinander beschreiben?«, fragte Hannah schließlich.
Herbert Meisner blickte seine Frau an. »Normal, würde ich sagen. Sie sind keine dicken Freundinnen, aber …«
Luise Meisner runzelte die Stirn. »Was spielt denn das für eine Rolle?«
»Bei Vermisstenfällen kann alles eine Rolle spielen«, entgegnete Hannah. »Auch Aspekte, die auf den ersten Blick überhaupt nichts mit dem Geschehen zu tun haben, können sich als bedeutungsvoll erweisen – vielleicht nicht sofort, aber unter Umständen in zwei Tagen oder Wochen, wenn sich plötzlich ein Zusammenhang ergibt, an den wir jetzt noch gar nicht denken.«
»Nun gut«, lenkte die Mutter ein. »Wie mein Mann schon sagte, die beiden waren noch nie besonders eng befreundet. Martina kümmert sich mehr, verstehen Sie? Caroline kommt häufig zu Besuch, hat aber sonst nicht viel mit unserem Alltag oder dem Geschäft zu tun.«
Und das nimmt sie der jüngeren Schwester übel, dachte Hannah. Vielleicht würde Martina gerne mal die Rollen tauschen,die Freiheit und Eigenständigkeit genießen, die Caroline sich ganz selbstverständlich herausnimmt; schöne Reisen, toller Job, mal raus aus der Familie, heimlicher Liebhaber … Nicht voreilig bewerten, rief Hannah sich selbst zur Ordnung. »Martinas Freund …«
»Der Daniel – feiner Kerl«, fiel Herbert ihr ins Wort, und ein Lächeln flog über sein Gesicht.
»Er arbeitet auch hier im Geschäft?«
»O ja, der hat noch mal so richtig Schwung in den Laden gebracht – mehr Service, größeres Sortiment, dazu Veranstaltungen …« Carolines Vater klang für Momente fast begeistert, dann brach er ab und sah verlegen beiseite.
»Er ist ihr Lebensgefährte«, betonte Carolines Mutter. »Nächstes Jahr werden die beiden heiraten. Sie wollten sich eigentlich schon in diesem Mai das Jawort geben, aber dann … Martina hatte eine Fehlgeburt, und … aber das gehört gar nicht hierher.«
»Ich verstehe.« Hannah ersparte der Frau eine Vertiefung dieses Themas. »Noch zwei Fragen, wenn Sie erlauben. Ich würde gerne auch mit Daniel sprechen. Ist er hier?« Sie wandte den Kopf in Richtung der beiden Mitarbeiter.
Herbert Meisner schüttelte den Kopf. »Der Junge ist den ganzen Tag mit dem Servicewagen unterwegs, aber ich gebe Ihnen seine Handynummer.«
»Das ist nett, vielen Dank. Könnten Sie sich darüber hinaus vorstellen, mit mir in Carolines Wohnung zu fahren, damit ich mir einen Eindruck verschaffen kann, wie Ihre Tochter lebt?«
»Da ist nichts Ungewöhnliches, alles wie immer«, entgegnete Luise Meisner stockend. Der Vorschlag gefiel ihr nicht. »Ich war vor drei Tagen selbst dort, um nach der Post zu sehen …«
»Ich verstehe Ihr Zögern, Frau Meisner, aber bedenken Sie bitte, dass ich als Außenstehende einen distanzierten Blick
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