Herztod: Thriller (German Edition)
größere Rolle in ihrem Leben?«
»Ja, kann schon sein. Herzensangelegenheiten nimmt sie nicht so wichtig – Liebe kommt, Liebe geht –, aber als sie die Stelle als Bibliothekarin in der Universitätsklinik Eppendorf bekam, da war sie richtig glücklich.«
»Wann war das?«
»Och, warten Sie mal … letztes Jahr? Nee, das ist schon fast zwei Jahre her. Meine Güte, wie die Zeit vergeht.«
Eine karrierebewusste junge Frau, die sich nicht gerne in die Karten schauen lässt – jedenfalls nicht in der Familie – und ihr Lebensglück abseits einer Beziehung sucht, fasste Hannah im Stillen zusammen. Kotti, der unter dem Tisch lag, hob plötzlich den Kopf und fixierte einen Punkt hinter Hannah, die sich daraufhin langsam umdrehte. Eine großgewachsene Frau stand in der Tür und musterte sie eindringlich. Misstrauen spiegelte sich in ihrer Miene. Die Schwester der Vermissten, Martina Meisner, dachte Hannah sofort, als sie sich die Fotos von Caroline, die der Akte beigefügt waren, in Erinnerung rief – das gleiche volle dunkelblonde Haar, herzförmiges Gesicht, große Augen, vier Jahre älter. Aber ihr Mund war anders, schmallippig streng, und sie wirkte deutlich größer und kräftiger als die jüngere Schwester.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie von meinem Großvater?«, richtete sie das Wort an Hannah.
»Nun mal nicht so zackig, Martina!«, mischte der alte Meisner sich sofort ein. »Das hat alles seine Ordnung. Die Frau ist von der Polizei.«
»Schon gut«, wiegelte Hannah freundlich ab und stellte sich vor, während sie ihre Dienstmarke zückte. »Ich versuche herauszufinden, was Caroline widerfahren ist, und Ihr Großvater war so freundlich, mir einige Fragen zu beantworten. Sie sind die Schwester, nicht wahr?«
»Ja.« Martina Meisner nickte, nachdem sie den BKA-Ausweis eingehend geprüft hatte. »Hat man denn immer noch nichts gefunden?« Sie blieb in der Tür stehen. »Keine Hinweise? Weitere Zeugen? Nichts, gar nichts?«
»Nein. Ich suche nach Ansatzpunkten, die uns hoffentlich weiterhelfen und zu einer Spur führen. Haben Sie irgendeine Vorstellung, was passiert sein könnte?«
Martina trat nach einem prüfenden Blick ins Ladeninnerenach draußen, ließ die Tür behutsam ins Schloss fallen und setzte sich zu Hannah und ihrem Großvater. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte sie halblaut, aber in energischem Tonfall. »Sie wollte noch einige Besorgungen für die Feier machen und mittags hier sein – so hatten wir es zwei Tage vorher jedenfalls vereinbart, aber sie kam nicht.«
»Caroline war mit ihrem eigenen Wagen unterwegs?«
»Ja, natürlich. Sie fährt grundsätzlich mit dem Auto, sie liebt das Autofahren – von dem Wagen fehlt auch jede Spur.« Martina wischte sich mit einer Hand über den Mund. »Meine Eltern sind … fassungslos, wie gelähmt. Sie versuchen sich mit Arbeit abzulenken, hier gibt es immer genug zu tun. Begreifen kann man das gar nicht. Auf einmal ist sie weg, es herrscht Schweigen, und niemand weiß warum … Das ist so unwirklich.«
Hannah spürte den altbekannten Schmerz aufsteigen. »Womit hat sich Ihre Schwester in letzter Zeit beschäftigt?«, fragte sie und schob die eigenen Erinnerungen beiseite. »Entsinnen Sie sich vor dem Hintergrund des Geschehens vielleicht an eine sonderbare Bemerkung, ein Telefonat, das Sie jetzt stutzen lässt?«
Martina schüttelte den Kopf. »Nein, nichts. Es war alles wie immer.« Sie zog die Achseln hoch. »Ich muss allerdings hinzufügen, dass Caroline und ich uns zwar mögen und auch regelmäßig sehen, wenn sie nach Bergedorf kommt, aber ein besonders vertrautes Verhältnis haben wir nicht zueinander. Sie macht immer ihr eigenes Ding und erzählt auch nicht viel von sich selbst. Caroline reist gerne, mag ihren Job, zieht sich ansonsten zurück … Viel mehr kann ich gar nicht zu ihr sagen. Eigentlich traurig, doch nicht zu ändern. Ihre Verschlossenheit hat mit den Jahren eher noch zugenommen. Aber was soll’s? Manche Menschen sind eben so.«
»Hat sie Freunde erwähnt, mit denen sie in letzter Zeit viel zusammen war? Gab es neue Bekanntschaften, zu denen sie das eine oder andere berichtete?«
Martina lehnte sich zurück und hob die Hände. »Ich kann mich an keine Namen erinnern. Sie ist eine Einzelgängerin, fährt auch alleine in den Urlaub – jedenfalls klingt es so, weil sie nie jemanden erwähnt. Ich könnte mir allerdings vorstellen …« Sie warf ihrem Großvater einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder
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