Herztod: Thriller (German Edition)
Hannah zuwandte. »Ich glaube, dass sie einen Liebhaber hat, und zwar einen, mit dem es vielleicht nicht ganz so toll läuft – das ist nur ein Gefühl, eine Ahnung. Erzählt hat sie nichts, doch immerhin nimmt sie die Pille.«
»Woher wissen Sie das?«
Martina strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wir sind spät abends in ihre Wohnung gefahren …«
»Wer ist wir?«
»Mein Lebensgefährte und ich. Wir wollten nach dem Rechten sehen – die Eltern haben einen Schlüssel zu Carolines Wohnung. Auf ihrem Schreibtisch lag ein Pillen-Rezept.«
Hannah beugte sich vor. »Ist Ihnen in der Wohnung sonst irgendetwas aufgefallen?«
»Nein, aber ich bin auch nur selten dort, die Eltern kümmern sich meist um die Post und die Pflanzen, wenn Caroline verreist ist. Es wirkte, hm, ja, sehr ordentlich, aufgeräumt, aber das muss ja nichts heißen.«
»Haben Sie den Anrufbeantworter abgehört?«
»Er war nicht eingeschaltet.«
Die Ladenglocke schlug an. Ein Kunde verließ das Geschäft und schob ein offensichtlich nagelneues oder zumindest sehr gepflegtes Rad durch die Tür, wobei er darauf achtete, nirgends anzustoßen. Martina wandte den Kopf und grüßte mit einem freundlichen Lächeln.
»Frau Meisner, können Sie sich vorstellen, was Caroline am Freitag am Elbufer in Blankenese vorhatte?«, hob Hannah wieder an. »Ein Zeuge hat sie am Nachmittag in der Nähe der Joggingstrecke auf Höhe des Leuchtturms gesehen.«
»Ich weiß, die Polizei hat uns darüber informiert, und wir haben uns bereits die Köpfe zerbrochen, warum sie dort war,noch dazu zu diesem Zeitpunkt – ohne zu einem Ergebnis zu kommen.« Sie hob die Hände und sah ihren Großvater an. »Wir haben nicht die geringste Ahnung, was sie da wollte, und ich kann mich auch nicht erinnern, dass sie je erwähnt hat, in Blankenese unterwegs gewesen zu sein.«
Der Großvater verzog das Gesicht. »Sie wohnt in Altona und hat’s nicht weit bis zur Elbe. Warum sollte sie bis nach Blankenese fahren? Zum Rumrennen oder Joggen, wie das heutzutage alle Welt tut? Caroline ist keine Joggerin!«
»Vielleicht war sie verabredet«, schlug Hannah vor.
»Ja, mit mir! Es war mein Geburtstag, und sie wollte längst hier sein.« Das klang trotzig. Der Alte schob sich die Pfeife in den Mund und starrte in die Ferne.
»Und selbst wenn ihr plötzlich etwas Wichtiges dazwischengekommen sein sollte – warum hatte sie ihr Handy ausgeschaltet?«, gab Martina zu bedenken. »Caroline war nicht der Typ, der sich vor einer klaren Ansage scheut.«
»Können Sie das erläutern?«
»Ganz einfach: Sie hätte angerufen und Bescheid gesagt, dass sie später kommt – und wer damit ein Problem gehabt hätte, wäre selbst schuld gewesen. Sie kann ziemlich direkt sein.«
Hannah nickte nachdenklich. »Ich verstehe. Sie redet nicht lange um den heißen Brei herum.«
»Genau.«
»Danke für Ihre Geduld, Frau Meisner. Ich würde gerne auch noch mit Ihren Eltern reden und …«
»Sie werden Ihnen nicht mehr sagen können als ich, eher weniger, weil sie völlig erschüttert sind.«
Interessante Bemerkung, dachte Hannah. Martina Meisner wirkte besorgt und irritiert, aufgebracht, aber alles andere als zutiefst bestürzt. Die Beziehung der Schwestern war garantiert nicht ungetrübt, doch Geschwisterbeziehungen waren selten ungetrübt – es fanden sich meistens wunde Punkte, wenn man genauer hinsah.
»Trotzdem, es ist wichtig, dass ich Einblick in verschiedeneSichtweisen erhalte«, meinte Hannah. »Und manchmal sind es die scheinbar nebensächlichen Bemerkungen, die zu einer interessanten Frage führen.«
»Na, wenn Sie meinen.« Überzeugt war Martina nicht. »Mein Vater ist in der Werkstatt, ich bringe Sie zu ihm, und meine Mutter löse ich an der Kasse ab. Aber der Hund muss draußen bleiben.« Sie warf Kotti einen schrägen Blick zu, den der gelassen an sich abperlen ließ.
»Kein Problem, der wartet einfach hier draußen. Vielen Dank.« Sie standen gemeinsam auf. »Eine Frage noch, Frau Meisner. Halten Sie es für möglich, dass Caroline aus Verzweiflung über eine unglückliche Liebe …«
Martina winkte sofort ab. »Niemals! Der Typ war sie nicht, ist sie nicht!«, korrigierte sie sich rasch.
Hannah blickte den Alten an. »Und was meinen Sie? Trauen Sie Ihrer Enkelin einen Suizid zu?«
Rudi Meisner zuckte zusammen, verneinte aber ebenfalls sofort. »Caroline behält immer einen kühlen Kopf.« Er lauschte der Bemerkung einen Moment nach, dann nickte er zur Bekräftigung.
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