Herzüberkopf (German Edition)
Gewissen, weil ich das angezettelt habe“.
„Nein, “ sagte Lea, „das ist so nicht richtig. Schlechtes Gewissen … wozu? Du hast nur getan, was dich bewogen hat.“
„Ja, das stimmt – aber es war egoistisch von mir.“
„Das ist doch schön … ich fühle mich geehrt und ich hätte ja nicht mitkommen brauchen, wenn ich es nicht gewollt hätte.“ Dieser Satz rührte Louis sehr. Er schwieg und küsste Lea.
Spät am Abend kehrten sie ins Hotel zurück. Das ursprüngliche Ziel, an den südlichsten Teil von Korfu zu fahren, hatten sie irgendwann nicht mehr verfolgt. Zu lange hatten sie in der Nachmittags-Hitze unter dem Olivenbaum gelagert. Anschließend waren sie, keine zwei Kilometer weiter, in einer romantischen Bucht am Strand, erneut vom Roller gestiegen, baden gegangen und hatten sich danach genüsslich in die mittlerweile milder gewordene Sonne gelegt. Tief, in allerlei persönliche Gesprächsthemen versunken, hatten sie ihr Ausflugsziel, mitsamt der Zeit, völlig vergessen. Diese Stunden der Zweisamkeit, waren ein wertvoller Bestandteil ihres Kennenlernen-Stadiums. Viele Fragen tauchten urplötzlich erst während dem Gespräch auf, die zuvor zwar im Herzen lagerten oder gar schon auf der Zunge ausharrten, jedoch weder von Lea noch von Louis einfach so ausgesprochen worden waren. Jede Herzensfrage braucht ihre ganz bestimmte Zeit, ihren ganz bestimmten Ort und ihre Stimmung, um zu ihrer Reifezeit ausgesprochen zu werden. Eine fremde Umgebung ist dafür ein idealer Ort – zumal ein gewisser Abstand besteht, welcher mehr Freiraum zulässt, objektiver auf den Partner einzugehen. Das Thema Heimreise war für den Rest des Tages tabu; keinesfalls unterdrückter Weise, sondern weil es auf die unerledigte Wartebank verwiesen worden war, namentlich; nichts an dem Umstand des Bangens oder des Wartens konnte verändert werden. Diese Einstellung teilten Lea und Louis gemeinsam. Keine noch so verlockende Kulturstätte der Antike, von denen es in Korfu zahlreiche hat, konnte Lea und Louis dazu verleiten, ihre gemeinsame Zeit der Zärtlichkeit und Gespräche, in schlichter natürlicher Umgebung der Gegenwart, wie zum Beispiel an irgendeinem stillen Strandabschnitt, auf einer Mauer, geschützt vor zu heißer Sonne, zu viel Wind oder zu vielen Menschen, zu unterbrechen oder dem gar zu opfern. Es war wie in einem Film, in dem die Sinnlichkeit Regie führte. Auf dem Rückweg verspürte Louis nicht nur Leas Griff um seinen Leib stärker, er fühlte sie in seinem Herzen intensiver. Sie hatte an diesem Nachmittag Fragen an ihn gestellt, welche von der früheren Zeit seiner Ehe, seiner Kinder und seiner Gedanken und Pläne für die Zukunft handelten. Louis hatte aus der Seele heraus geantwortet, ohne zu wissen, ob es für Lea nun schwieriger oder leichter werden würde – jedenfalls war das Gefühl zu Lea wesentlich klarer. Und wieder war Louis erstaunt darüber, wie strukturiert Lea ihre Gedanken bezüglich einer Beziehung zu ihm sammeln und sie formulieren konnte, obgleich sie, wenn er ihr seine Bewunderung darüber aussprach, es nicht wahrhaben wollte und äußerte, dass sie gerade darin eine Schwäche habe.
Als sie das Hotel betraten, war alles still in der Empfangshalle und auch an der Rezeption war weder Señora Margaritha noch ihr Stellvertreter zu sehen; ein vom Alter her schlecht einzuschätzender, groß und schlaksig wirkender Grieche, mit ungepflegten Haaren, jedoch stets glattrasiert im Gesicht, der auf den ersten Blick stumm zu sein schien, weil er so gut wie nie redete und wenn, dann immer nur das Nötigste sagte und ein ständiges Nicken an sich hatte, das, gepaart mit einem ununterbrochenen Lächeln um die Mundwinkel, ihn aussehen ließ, als würde er alles bejahen; er hatte etwas Lakaien artiges an sich. Er war sehr hilfsbereit, aber irgendwie immer geduckt und wenn Señora Margaritha aufkreuzte, verschwand er rasch. Lea meinte, sie habe beim Frühstück zufällig mitbekommen, dass er ein Neffe oder sonstiger Verwandter von ihr sei. So schlichen Louis und Lea leise in ihr Zimmer, nachdem sie den Schlüssel an der Rezeption selbst vom Haken genommen hatten. Als sie das Zimmer betraten, war es fein säuberlich zurechtgemacht worden und auf dem Tisch standen eine neue Flasche Rotwein mit zwei Gläsern. Die beiden freuten sich und Louis öffnete den Wein. Es war kurz vor Mitternacht und die vorletzte Nacht vor der Abreise, deren Ungewissheit nun für einen Augenblick wieder in das Gedächtnis von
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