Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut
dadurch gekrochen sein kann, während ich mit dem Hund im Wald war.“
„Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Solange der Hund auf dem Grundstück oder im Haus ist, würde das niemand wagen, aber wenn er sicher wäre, dass Gaga weg ist, dann wäre das ein guter Weg nach drinnen.“
„Viel Zeit würde man nicht brauchen. Vielleicht drei Minuten. Dann wäre das Kissen platziert und der Eindringling wieder weg. Das könnte man riskieren. Vor allem jetzt, wo Emil nicht mehr da ist. Der hätte sonst ein Mordsspektakel gemacht.“
„Der gute Emil. Was wohl mit ihm passiert ist?“
„Ich hoffe, nichts.“ Hetzer rieb sich das Kinn und glaubte nicht so recht daran.
„Wollt ihr einen Kaffee oder Tee?“
„Lieber einen Schnaps. Wenigstens wäre mir danach.“
„Dann koche ich jetzt eine Kanne Kaffee und ihr bedient euch, wenn ihr mögt.“
Moni ging in die Küche. Gaga folgte ihr. Peter sah den beiden nach.
„Jetzt mal unter uns. Habt ihr wirklich nix laufen?“
„Nein, echt nicht. Sie ist eine gute Freundin. Um noch mal auf das Kissen zurückzukommen. Ich habe da so eine Ahnung. Das habe ich eben schon zu Moni gesagt. Ich fürchte, wir haben bald eine neue Leiche.“
„Wieso denn das? Wie kommst du darauf?“
„Nach Fraas haben wir die Ratte gefunden. Lass das jetzt mal so stehen, auch wenn es heißt, dass die nichts damit zu tun hatte. Nach Bennos Tod stand der Madentopf vor meiner Tür. Jetzt habe ich ein Kissen mit Federn. Wo ist der Tote? Gibt es ihn überhaupt? Oder nur noch nicht? Und lass mich mal weiterspinnen. Fraas wurde ersäuft wie eine Ratte, Benno aufgehängt und abgestochen, wie ein Schwein. Woraus sind Kissen? Aus Gänsedaunen! Wie tötet man eine Gans?“
„Na, Kopf ab, würde ich sagen!“
„Genau! Wenn ich recht habe, suchen wir nach einem geköpften Toten. Aber es gibt keinen passenden Entführungsfall. Die Einzige, die infrage gekommen wäre, war eine Frau. Und das kann ja nun mal nicht sein. Wir suchen nach einem Täter, der Männer kastriert.“
Es klingelte an der Tür. Moni öffnete.
„Wolf, kommst du mal. Hier ist dein Kollege.“
Mist, gerade waren sie so schön kreativ. Wolf stand auf und ging zur Tür. Seppi machte ein trauriges Gesicht.
„Tut mir leid, Hetzer. Wir müssen abrücken. Von der Klappe habe ich Proben genommen, das Kissen ist hier drin.“ – Er zeigte auf eine durchsichtige Plastiktüte. „Weitere Spuren haben wir gesichert. Ganz fertig sind wir leider noch nicht, aber die Pflicht ruft. Wir haben eine neue Leiche. Das hat Vorrang.“
Hetzer entglitten die Gesichtszüge. Das war Wahnsinn.
„Wo?“ Mehr konnte er nicht herausbringen. Ihm fehlten die Worte.
„In Bückeburg. Im Höppenfeld, an einem alten Kiesteich.“
„Und, wisst ihr schon was Genaueres?“ So langsam fing er sich wieder.
„Weibliche Leiche, so um die sechzig. Der Kopf liegt im Wasser“, sagte er im Gehen. „Das wird ein später Sonntagabend.“
Der Kuss
Als Susi an jenem späten Nachmittag ihren ersten Kuss bekam, war sie elf Jahre alt. Sie saß da vor dem Iglu, wie vom Donner gerührt. Konnte sich nicht bewegen. Die Kälte kroch langsam durch den Schneeanzug. Von außen. Und eine andere Kälte breitete sich in ihr aus. Etwas war falsch.
Wieso küsste Jochen sie? Was sollte das? Sie waren doch Kumpel. Blutsbrüder, wenn man es genau nahm. Und er musste doch wissen, dass Apachen zwar die Friedenspfeife zusammen rauchten, sich aber bestimmt nicht küssten. Ob er das mal über Eskimos gelesen hatte? Nein, das konnte nicht sein. Vater hatte ihr erklärt, dass die sich nur mit der Nase aneinander reiben, um nicht durch die Spucke festzufrieren.
Es war bestimmt nur ein Versehen gewesen. Etwas, das Jochen falsch verstanden hatte. Sie würde ihn bei Gelegenheit fragen.
Doch diese Gelegenheit kam nie. Denn als sie mit ihm am nächsten Tag allein im Iglu saß, versuchte er es wieder. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie stieß ihn zurück. Schrie ihn an: „Lass das!“ Und er wurde so rot wie sein Schneeanzug. Fluchtartig verließ er das Iglu. Das war das Ende einer Kinderfreundschaft, denn Jochen und Michael gingen ihr danach aus dem Weg.
Da Susi mit Barbiepuppen und kichernden Gesprächen über Jungs nichts im Sinn hatte, fand sie schwer Anschluss bei Mädchen ihres Alters. Sie floh in die Welt der Bücher. Dort fühlte sie sich zu Hause. Ab und zu traf sie sich jetzt mit der dicken Iris. Ein Außenseiter in der Klasse wie sie selbst. Iris sah gern fern, vor allem
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