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Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut

Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut

Titel: Hetzer & Kruse 01 - SchattenHaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nané Lénard
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die Weihnachtslieder aus dem 20. Jahrhundert verdarben ihr diesen Moment. Sie beschloss, über die Enge Straße und die Riemengasse wieder zur Weserstraße zurückzukehren und trank ihren Kakao aus. Blieb an einer Ecke stehen und schloss die Augen. Hier konnte sie sich vorstellen, wie sich die Kinder vor über hundert Jahren eine Schneeballschlacht lieferten. An der Geräuschkulisse hatte sich nichts geändert. Der Schnee machte die Töne sanft. Im Geiste sah sie einen Mann Kohlen ins Haus schleppen und müde Mägde trotz des Frostes die Fenster fürs Weihnachtsfest putzen. Ein Schrei holte sie in die Wirklichkeit zurück. Ein Schneeball hatte wohl eine empfindliche Stelle getroffen. Weinend rieb sich das Mädchen die Stirn, aber es war nichts Schlimmes. Sie setzte ihren Weg fort. Inzwischen war es schon halb sechs geworden. Sie musste sich beeilen, wenn Sie noch in die Boutique „Medea“ wollte. Ab und zu belohnte sie sich selbst mit etwas Schönem und jetzt zu Weihnachten hatte ihr ihre Großmutter Geld gegeben, aber sie verdiente endlich auch selbst genug. Die Aussicht, in Stadthagen bleiben zu können, gefiel ihr. Es hatte sie gerührt, dass Prof. Dr. Althaus so lobend über sie gesprochen hatte.
    Die Boutique hatte ein ganz besonderes Ambiente. Selbst die Weihnachtsdekoration drängte sich nicht auf. Sie fügte sich harmonisch in das Gesamtgefühl ein, das Nadja immer hatte, wenn sie hier war. Sie fühlte sich einfach wohl. Schließlich wählte sie ein dunkelrotes Kleid von „Mais où est le soleil?“. Es hatte einen außergewöhnlichen Schnitt und passte perfekt zu der sündhaft teuren Lederjacke von „muubaa“. Ein irres Teil, mittelgrau, handschuhweich mit schrägem Reißverschluss. Und sie passte wie eine zweite Haut. Bei „Medea“ wusste man immer, was ihr gefiel. Es war, als hätten sie ein Gespür für ihr Innerstes und wussten, wie sie sein wollte: Ungewöhnlich, extravagant, aber nicht zu auffällig. Mal sehen, wann sich eine passende Gelegenheit ergab, das Ensemble auszuführen.
    Zufrieden verließ sie mit ihren Taschen den Laden und schlenderte durch die Fußgängerzone in Richtung Klosterstraße. Dort, wo ehemals Rumbke sein Herrengeschäft hatte, bog sie rechts ab zum Parkplatz. Ihr Wagen war mittlerweile von einer Schneeschicht überzogen. Mit einem Handfeger beseitigte sie das Nötigste und stieg ein.
    Morgen würde sie mit Seppi DNA-Spuren untersuchen. Darauf freute sie sich schon jetzt. Es waren spannende Tage in der Rechtsmedizin. Und sie war hungrig. Sie lernte gerne dazu.

Ottos Zusammenbruch
    „Hallo!“ Hört mich denn niemand?“
    Otto hatte mehrmals am Tag gerufen. Die Sedierung hatte nachgelassen. Allmählich nahm er die Realität um sich herum wieder wahr wie jeder andere.
    Das allerdings war nicht nur von Vorteil. Der Fremde hatte ihm im Schlaf die Hände mit Kabelbindern zusammengebunden. Dabei hätte er so gerne nachgesehen, was mit ihm passiert war. Er spürte ein leichtes Ziehen in der Leistengegend und im Bereich seines Unterleibs. Die Beule am Kopf hatte er schon vorher gespürt. Es konnte sein, dass er einen Unfall gehabt hatte, aber warum dann die Fesseln? Die Gitter am Bett waren heruntergelassen worden. Er erinnerte sich vage, dass das neulich noch anders gewesen war. Da hatte er sich gefühlt wie ein Tiger im Käfig.
    Wäre er belesen gewesen, wäre ihm jetzt das Gedicht von Rainer Maria Rilke in den Sinn gekommen.
    Vielleicht irrte er sich aber, die Narkose und die Beruhigungsmittel hatten ihn so benommen gemacht. Aber warum waren seine Hände zusammengebunden? Umständlich stand er auf, das Abstützen war schwierig. Er wankte in Richtung Tür und versuchte, die Klinke mit beiden Fäusten herunterzudrücken. Doch die Tür war verschlossen. An das Fenster kam er so auch nicht heran, um Hilfe zu rufen. Wütend schlug er seine Fäuste an die Metalltür. Doch es kam niemand. Runde um Runde irrte er durchs Zimmer. Trotz einigen Ekelns nahm er zwischendurch auf dem Toilettenstuhl Platz, der neben einem Tisch stand. Um die Mittagszeit legte er sich wieder ins Bett. Er war noch zu kaputt und das Gehen strengte ihn an. Es machte auch die Schmerzen schlimmer. Wann kam denn endlich mal jemand? Er hatte Hunger. Doch es stand nur eine Flasche Wasser auf dem Tisch. Man konnte ihn hier doch nicht einfach einsperren, er war schließlich jemand. Nicht so ein dahergelaufener, nutzloser Asozialer. Oder dachte das jemand? Man musste doch schon an der Kleidung gesehen haben, dass er

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