Heuchler
seltsam an. Sie wollte nach unten sehen, doch ihr Kopf hatte keinen Halt mehr und klappte ein Stück nach hinten. Schließlich brach sie zusammen und das Letzte, was sie wahrnahm, waren ein paar schwere, blutverschmierte Stiefel, die einfach über sie hinwegstiegen. Petra wollte ihre Tochter noch warnen, aber der zerstörte Kehlkopf ließ keinen Laut mehr zu.
Seltsamerweise hatte sie während der ganzen Zeit, bis die Dunkelheit sie empfing, kaum Schmerzen. Doch eine unerträgliche Angst beschleunigte ihren Puls und pumpte ihr Blut dadurch noch schneller auf den Fußboden.
Katja hörte nichts, spürte aber die leichte Erschütterung des Holzbodens und nahm ihre Kopfhörer aus den Ohren. Alles war still.
»Mama?«, rief sie fragend in Richtung ihrer Zimmertür, doch nichts rührte sich. Mit einem unguten Gefühl stand sie auf, ging zur Tür und blickte in den Raum. »Mama?« Wieder keine Antwort. »Bist du auf der Toilette?« Langsam betrat sie den Wohnraum und sah sich um, dann bemerkte sie das Tageslicht im Flur und dachte, ihre Mutter sei kurz hinausgegangen. Unsicher machte sie zwei weitere Schritte in den Raum hinein, um den kompletten Flur einsehen zu können, als sich neben ihr plötzlich ein Schatten von der Wand löste. Sie versuchte noch auszuweichen, aber es war zu spät. Der Mann war bereits bei ihr und bekam einen Zipfel ihres T-Shirts zu fassen, aber Katja hatte lange genug Judo gemacht, um sich aus so einem Griff lösen zu können und schaffte es tatsächlich. Durch eine geschickte Drehung ihres Körpers entglitt dem Angreifer der dünne Stoff und brachte ihn sogar ins Straucheln. Katja flüchtete in Richtung Haustür und wäre fast auf ihre Mutter gestiegen. Fassungslos stockte sie und konnte nicht glauben, was sie da sah. Der leblose Körper lag in einem See aus Blut und aus einer riesigen Wunde am Hals lief immer noch mehr.
»Bleib stehen, ich will dir nur helfen«, hörte sie die Stimme ihres Angreifers, wie durch dichten Nebel. Du musst weg! , schrie eine innere Stimme und riss sie aus ihrer Erstarrung. Es kostete Katja unendlich viel Überwindung, aber sie schaffte es, über den Leib ihrer Mutter zu steigen und aus dem Haus zu rennen. Für einen kurzen Augenblick erwog sie in Richtung Dorf zu laufen, aber wenn dieser Mann über ein Fahrzeug verfügte, würde sie nicht weit kommen. Dann entschied sie sich für den Pfad, den ihr Vater mit Felix genommen hatte. Ihre Entscheidung fiel keine Sekunde zu spät, denn im selben Moment flog die Haustür, welche sie hinter sich zugeschlagen hatte, erneut auf und ihr Verfolger stürzte heraus.
Katja rannte, so schnell sie konnte, und erreichte mit wenigen Schritten den Waldrand. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, folgte sie dem Pfad, der auf den ersten Metern durch dichte Büsche führte. Das Brechen der Äste unter seinen schweren Schuhen trieb sie an, noch schneller zu laufen und endlich wichen die Büsche zurück und der Pfad wurde etwas breiter. »Papa, Hilfe!«, brüllte sie in den Wald hinein, doch im selben Augenblick verloren ihre Füße den Bodenkontakt und Katja schlug unbarmherzig hart auf dem Waldboden auf. Ein schneidender Schmerz, der sich quer über ihre Schienbeine zog, zusammen mit dem des Aufpralls, trieb ihr sämtliche Luft aus den Lungen. Nur einen Herzschlag später war er über ihr und kniete sich auf ihren Rücken. Dann wurden ihre Arme nach hinten gerissen und das metallische Klicken von Handschellen fixierte sie dort.
»Der Stolperdraht war eigentlich für deinen Vater gedacht«, verkündete er schwer atmend, aber mit Triumph in der Stimme.
»Lassen Sie mich!«, brüllte Katja und versuchte sich umzudrehen, was sein Gewicht auf ihrem Rücken aber verhinderte.
»Du hörst jetzt zu schreien auf oder möchtest du so wie deine Mutter enden?«, drohte er und drückte ihr dabei die kalte, noch blutige Klinge seines Messers auf die Backe.
»Sie Bastard«, keuchte Katja, wagte es aber nicht mehr laut zu reden.
»So ist es gut!«, stellte er zufrieden fest und ging neben ihr in die Hocke. Dann zog er sie an den Armen hoch und drängte sie den Pfad entlang, zurück zum Haus. Zuerst dachte Katja keinen Schritt laufen zu können, so brannten die Wunden an ihren Schienbeinen, aber nach einigen Schritten ging es besser. Schweigend gingen sie zurück, wobei er ihr jedes Mal, wenn sie langsamer wurde, unsanft den Griff seines Messers in den Rücken stieß. Am Haus angekommen, zog er ein zweites Paar Handschellen aus seiner Gürteltasche und machte
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