Heute Nacht brauche ich Liebe
noch vor Leidenschaft, doch mit eisernem Willen gelang es ihr, wieder normal zu atmen. „Ich gehe zuerst hinaus", sagte sie, brachte es jedoch nicht fertig, Red dabei anzusehen.
Langsam stand er auf. „Das wär's dann also”, stellte er mit merkwürdig ausdrucksloser Stimme fest.
Seine Worte gingen ihr durch Mark und Bein, obwohl sie eigentlich selbst nicht wusste, was sie von ihm erwartet hatte. „Was möchtest du denn hören?” stieß sie hervor. Ihre Stimme klang etwas zu schrill. „Dass es schön war? Mit dir war es immer schön, Red. Deshalb habe ich dich ja geheiratet.”
Einen Augenblick lang glaubte sie, in seinen Augen einen Anflug von Verärgerung oder gar Schmerz zu bemerken, doch das war so schnell vorüber, dass sie nicht wusste, ob sie es sich nicht eingebildet hatte. Fast beiläufig sah er sich nach seiner Mütze um und setzte sie, nachdem er sie vom Boden aufgehoben hatte, mit einem selbstbewussten Lächeln auf.
„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich einen angemessenen Stundenlohn verlangt”, erwiderte er fast amüsiert. Oder klang es eher sarkastisch?
Wie auch immer, Joan drehte sich erzürnt um und ging zur Tür. Sie zögerte einen Augenblick, ehe sie sie öffnete. Vergeblich wartete sie darauf, dass er etwas sagen oder tun würde. Sie wünschte es sich so sehr - doch es geschah nichts; Red wartete, bis Joan die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann holte er weit aus und schlug mit der Faust heftig gegen die Wand. Vor Schmerz hätte er beinahe laut aufgeschrien. Aber es tat gut. Es übertönte fast den Schmerz, den er in seinem Herzen spürte - aber nur fast.
Mit geschlossenen Augen und schmerzverzerrtem Gesicht lehnte er sich an die Wand. „Verdammt”, flüsterte er. Verdammt sei sie, sei er und was immer sie zusammengebracht hatte. Wie lange würden sie sich noch anfeinden? Würde es überhaupt jemals besser werden?
Red überhäufte sich mit Selbstvorwürfen. Er hatte die ganze Sache falsch angepackt. Er hätte es niemals so weit kommen lassen, nie diese Gelegenheit heraufbeschwören dürfen. Er hätte überhaupt niemals mehr nach Adinorack zurückkehren sollen. Warum fand er keine Ruhe, sondern suchte nach immer neuen Wegen, sich zu quälen?
Was er sich auch vornahm an guten Vorsätzen, sobald er mit Joan zusammen war, setzte sein Verstand aus. In ihrer Nähe konnte er keinen klaren Gedanken fassen. Es schien ihm einfach unmöglich, sich angemessen zu verhalten.
Red hatte die Situation zwar nicht bewusst herbeigeführt, aber insgeheim hatte er sich doch etwas davon versprochen. Die Hoffnung, dass alles besser werden würde, wenn sie sich einander hingaben, schien sich nicht zu erfüllen. Vielleicht hätte er hinterher etwas sagen oder tun sollen, irgendeine nette Geste, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Doch als sie ihn angeblickt hatte, so kühl und voller Selbstbeherrschung, als sei das, was gerade zwischen ihnen geschehen war, nur ein unwichtiges Zwischenspiel in ihrem Tagesablauf... Spürte sie denn nicht, dass er jedes Mal, wenn er mit ihr schlief, den Wunsch hatte, sie für immer so in seinen Armen zu halten und sich nie wieder von ihr zu trennen?
„Verdammt”, flüsterte er wieder. Seine Hand tat jetzt kaum noch weh, dafür fraß sich der Schmerz in seiner Brust immer tiefer. Und das Unwetter, das ihn hier festhielt, hatte noch nicht einmal begonnen.
Der Wind peitschte Joan ins Gesicht, als sie zum Bürogebäude zurückging. Dreieinhalb Minuten brauchte sie, um die Straße zu überqueren, in denen die Kälte ihr jeden Gedanken austrieb. Durchgefroren kam sie auf der anderen Seite an. Sie schlug die Tür hinter sich zu und zog ihre Jacke aus. Dabei stampfte sie mit den Füßen auf den Boden und rieb die Hände aneinander, um die Durchblutung anzuregen, alles ganz automatisch.
Die Kälte hatte auch etwas Gutes. So würde man ihr gerötetes Gesicht und das Glänzen ihrer Augen auf den eisigen Wind zurückführen. Und in der Tat schien niemand etwas Ungewöhnliches an ihr zu bemerken. Die Männer saßen um einen der Tische und spielten Karten. Offenbar waren die Leitungen für den Fernsehempfang bereits unterbrochen. Zu jeder anderen Zeit hätte Joan ihre Leute für ihre mangelnde Arbeitsmoral gerügt, aber in diesem Augenblick konnte sie die Männer verstehen.
Macht die nächsten Stunden frei, Jungs. So wie die Lage aussieht, scheint es eine lange Nacht zu werden", ordnete sie an und war selbst erstaunt darüber. „Und Gilly, schicken Sie mir jemanden
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