Heute Nacht brauche ich Liebe
durchzuwühlen. „Nein, ich habe nichts Hübsches zum Anziehen. Und ich möchte den Männern auch nicht den Kopf verdrehen.”
„Das ist schon okay. Wenn ich fertig bin, wirst du einfach toll aussehen, egal was du anhast.”
Della lockerte ihr Haar mit dem Stil des Kamms etwas auf, so dass es fülliger wirkte, und trat dann einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.
Geduldig blickte Joan sie an. „Bist du jetzt fertig? Kann ich mein Haar jetzt wieder zusammenbinden?”
„Nein, lass es so. Es sieht viel besser aus.” Sie durchwühlte die Utensilien auf der Schreibtischplatte. „Fehlt nur noch ein wenig Lidschatten und Lippenstift, und du bist perfekt.”
„Das hier ist ein Arbeitsplatz, keine Diskothek.”
„Halt bitte den Mund.”
Joan fügte sich widerwillig in ihr Schicksal und ließ es über sich ergehen, dass Della ihr die Lippen mit dem Stift nachzog. Und wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass es ihr trotz ihrer gegenwärtigen Stimmung Spaß machte, wie dumm es auch sein mochte.
Für solche Dinge hatte sie noch nie etwas übrig gehabt. Auch als junges Mädchen hatte sie nie mit einer Freundin zusammengesessen, sich gegenseitig die Haare gekämmt und dabei bis in die Nacht geredet und gekichert, wie das bei anderen Mädchen der Fall gewesen war. Und selbst wenn sie zu einer Strandparty eingeladen war, war es ihr nie in den Sinn gekommen, die Zehennägel zu lackieren. Auch heute noch kam sie nicht in Versuchung, in der Parfümerieabteilung eines Kaufhauses die verschiedenen Parfüms auszuprobieren. Dafür war sie immer zu beschäftigt, zu vernünftig.
„Weißt du was", sagte Della und lehnte sich zurück, um ihr Werk zu betrachten, „du magst zwar eine erfolgreiche Frau sein, die nur mit den Fingern schnippen muss, damit die Untergebenen springen, aber ich wette, du hättest viel mehr Spaß, wenn du nicht so hart an deinem Image arbeiten würdest."
„Da könntest du recht haben.” Abwehrend hob Joan die Hände als Della noch mehr Lippenstift auftragen wollte.
„Nimm das Leben nicht so schwer, Joan.” Sie legte den Lippenstift beiseite und untersuchte mit kritischem Blick den Inhalt ihrer Lidschattendose. „Nimm die Dinge so, wie sie sind. Du kannst sie sowieso nicht ändern.”
„Mach mir nicht dieses Zeug auf die Augen. Damit komme ich mir so aufgedonnert vor.” Della legte die Dose beiseite und öffnete eine andere.
„Bleibt Red heute über Nacht?” erkundigte sie sich, während sie den Pinsel in die Hand nahm.
„Natürlich. Was soll er sonst tun? Er kann ja nicht fort.”
„Nein, ich meine, ob er hier bei dir bleibt?”
Die Frage verwirrte Joan so, dass sie ganz zu protestieren vergaß und instinktiv die Augen schloss, als Della sich mit dem Kosmetikpinsel vorbeugte. Zwar war Adinorack nur ein kleiner Ort, doch es gab genügend Zimmer - um nicht zu sagen Betten - für einen einsamen Mann. Es gab keinen Grund, warum Red die Nacht im Büro verbringen musste.
Natürlich war das früher anders gewesen. Vom ersten Tag ihres Kennenlernens an hatten sie im wörtlichen Sinn nicht getrennt geschlafen. Wenn Red in der Stadt war, dann blieben sie zusammen. Entweder verbrachten sie die Nacht auf dem Sofa in ihrem Büro oder bei ihr im Apartment oder dort, wo sie gerade waren. Es war eben so. Und selbst jetzt rechnete sie mit dieser Möglichkeit, was nur wieder bewies, wie verworren ihr Denken war, was Red betraf.
„Ich weiß nicht”, antwortete sie. „Das ist seine Sache.”
„Nun”, Della trat einen Schritt zurück, um das Resultat ihrer Arbeit zu betrachten, „ich will dich ja nicht drängen, doch ich weiß, wo ein Bett steht, das auf seine Größe zugeschnitten ist. Natürlich nur, wenn du mit ihm fertig bist.”
Entgeistert starrte Joan sie an. Dellas Worte verschlugen ihr im ersten Augenblick die Sprache. Und sie wusste auch nicht, was sie erwidert hätte, hätte in diesem Moment nicht Red von der Tür aus gesagt: „Danke für dein Angebot, Della, aber ich werde es nicht in Anspruch nehmen.”
Mit einer Tasse Kaffee in der Hand stand er in der Tür und betrachtete die beiden Frauen amüsiert. Mit einem sorglosen Lächeln auf den Lippen trat er ein. „Nicht, dass ich dein Angebot nicht zu schätzen wüsste”, fügte er hinzu und gab Della einen Klaps auf den Po. „Aber ich möchte mein Flugzeug nicht allein lassen.”
5. KAPITEL
Red hatte nicht vorgehabt, Joan aufzusuchen, im Gegenteil. In Wahrheit hatte er schon ernsthaft darüber
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