Heute Und in Ewigkeit
traf sich einmal im Monat mit unserem Cousin zum Abendessen. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass Arnie nun Börsenmakler war.
»Komm rein«, sagte Tante Cilla. »Dein Onkel wollte gern dabei sein, aber er muss arbeiten.«
Er schämte sich vermutlich heute noch dafür, dass er uns abgeladen hatte wie Müll.
»Ich bringe ihn einfach nicht dazu, sich zur Ruhe zu setzen«, fuhr sie fort. »Kannst du mir sagen, wer zu einem alten Zahnarzt mit zittrigen Händen geht?« Sie wischte sich die Hände an ihrer verblassten grün karierten Schürze ab.
»Zittrige alte Frauen mit Zahnprothesen?«, schlug ich vor.
Tante Cilla schnalzte mit der Zunge. »Immer noch so ein freches Mundwerk, selbst nach so vielen Jahren.«
Sie breitete die Arme aus. Ich hielt den Atem an, beugte mich vor und gewährte ihr meine Oprah-Umarmung. Herrgott, Lulu, ich merke ganz genau, wenn du nicht willst, dass dich jemand anfasst ,
hatte Merry gesagt. Du umarmst denjenigen wie Oprah Winfrey einen Gast umarmt, der völlig hingerissen ist von seinem Star, sodass sie Distanz halten muss.
»Also, kannst du zum Mittagessen bleiben? Oder willst du einfach alles einpacken und gleich wieder verschwinden?« Tante Cilla schob mich durch den Flur. »Hal hat die Kisten vom Dachboden geholt.«
Wir betraten ihre Küche. Die hochglänzenden Geräte und teuer aussehenden Fronten aus Walnussholz standen in unangenehmem Kontrast zu Tante Cillas gealtertem Gesicht. Ihre alte Küche, die ich aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte, war aus hellem Holz gewesen, damals der neueste Trend. Ich weiß noch, dass meine Mutter meinen Vater ein ganzes Wochenende lang angefaucht hatte, nachdem sie gesehen hatte, wie Onkel Hal die Küche neu hergerichtet hatte.
Der Tisch war mit Mimi Rubees Porzellan gedeckt. An das erinnerte ich mich ebenfalls. Mimi Rubee hatte das Service Tante Cilla geschenkt, kurz nach dem Tod meines Großvaters. Mimi Rubee hatte das altmodische Haviland, überladen mit Bildern von tanzenden Maiden und grünen und goldenen Girlanden, nicht mehr haben wollen. Meine Mutter hasste dieses Geschirr, denn sie war ebenso sehr von modernen Sachen angetan wie Mimi Rubee, und beide hatten sich weißes Melamin mit eingeprägtem Sterndekor gekauft.
»Arnie versucht ständig, mir das Geschirr abzuschwatzen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ein erwachsener Mann, der Teller sammelt. Ich sollte das ganze Service einfach dir schenken. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es ja für deine Töchter aufheben.«
Ich wollte schon protestieren, weil ich fürchtete, Arnie würde sich übergangen fühlen. Merry hatte mir erzählt, dass er seine Homosexualität vor Tante Cilla verheimlichte. Stattdessen sah ich meine Tante an und sagte: »Ich würde es sehr gern haben, danke.«
Sie wirkte ein wenig bestürzt. Offensichtlich war das Angebot nur so dahingesagt.
»Wenn du möchtest, komme ich morgen wieder und wickle alles gut ein.«
»Vielleicht warte ich doch lieber und frage erst Arnie.« Ihre Stimme erstarb, und sie holte eine Servierplatte aus dem Kühlschrank.
Ich hätte sie retten können, tat es aber nicht. »Ich werde es gleich den Mädchen erzählen. Die freuen sich bestimmt sehr darüber. Wie wäre es, wenn du das Geschirr einpackst und zu uns nach Hause schickst? Aber vielleicht wäre es besser, ich schicke Merry her, damit sie es abholt. Was sagst du dazu?« Würde ich wohl zu weit gehen, wenn ich ihr anbot, mein Vater könne ihr ja helfen, die schweren Kisten zu tragen?
»Die Kisten von deiner Mutter sind im Wohnzimmer.« Tante Cilla knallte einen Teller mit grober Leberpastete und Eiersalat auf den Tisch. »Du kannst sie durchgehen, wenn wir gegessen haben. Nachsehen, was du haben willst. Dir etwas aussuchen.«
»Ich brauche mir nichts auszusuchen. Ich nehme alles mit.«
Tante Cilla stemmte die Hände in die Hüften und richtete sich zu ihrer vollen eingesunkenen Größe auf. Wie so viele Frauen ihrer Generation – behandelte ich nicht genug von ihnen, um das genau zu wissen? – zeigte sie alle Anzeichen von Osteoporose und würde eines Tages auf Handtaschengröße geschrumpft sein. »Wenn du alles mitnimmst, was bleibt mir dann noch zum Gedenken an meine Schwester?«
»Du hattest jahrelang Zeit, ihrer ausgiebig zu gedenken, Tante Cilla. Woher soll ich überhaupt wissen, was du in die Kisten gepackt und was du behalten hast?«
»Willst du damit etwa behaupten, ich sei eine Diebin? Eine Lügnerin?« Sie schlug sich die Hand vor die Brust. Mehrere
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