Hexen Kuss. Werwolf-Fluch und Vollmond-Vampire
angefasst und ich nicht. Vielleicht reagierte es nur auf Kontakt.
Oje, jetzt habe ich schon Paranoia und denke, die Welt hat sich gegen uns verschworen.
Ein Kuss soll einer Hexe ja alles verraten. Wird er mit Liebe gegeben, soll er sogar einen Fluch lösen können. Cassy ist durch meine Herkunft davon überzeugt, dass ich eine bin. Unter meinen sibirischen Vorfahren wimmelte es angeblich von solchen. Die berühmte Urgroßtante Galina ist zum Beispiel mehrfach nach ihren Beerdigungen aufgetaucht, als wäre nichts gewesen. Da ist also schon etwas dran. Sie sagte immer, sie könnte nicht eher sterben, bis sie ihren Liebsten noch einmal gesehen hat. Ein junger Vampir hat der Urgroßtante angeblich in ihrer Jugend vollkommen den Kopf verdreht und sie hat geschworen, so lange nicht diese Welt zu verlassen, bis sie ihn wieder sieht. Angeblich lebt sie noch immer vollkommen zurückgezogen in einer uralten Hütte zusammen mit einer schwarzen Ziege im sibirischen Wald.
Cassy fordert von mir, dass ich einen der Russenzwillinge küssen soll, um zu erfahren, ob sie Werwölfe sind. Auf den beiden soll ein alter Fluch liegen. Sollte ich vielleicht auch den neuen Alex, der sich selbst nach seinem Erwachen Grimm nannte, küssen? So erfahre ich, wer er ist. Das dürfte immer noch besser sein, als mit Wladimir oder Iwan herumzuknutschen. Andererseits wüssten wir dann immer noch nicht, ob das Werwolfmärchen stimmt.
Muss ich bald jeden Verdächtigen küssen? In so einer kleinen Stadt wäre mein Ruf in Kürze ruiniert.
Gestern Abend unterhielt ich mich darüber mit Cassy: „Schau morgen bitte genau auf Alex und merke dir alles, was merkwürdig ist.“
Sie versprach mir das, wunderte sich jedoch über mein großes Interesse an Alex und hielt mich entweder für paranoid oder verliebt. Cassy meinte, dass sich offensichtlich meine hexischen Kräfte gerade verstärkten, da Halloween und Vollmond gleichzeitig näher rückten. Deshalb wäre ich so aufgewühlt.
Am Morgen wirkte Alex auf den ersten Blick wie immer. Seine Bewegungen waren nicht mehr so eckig wie bei einem Roboter, sondern wieder vollkommen normal. Dennoch waren viele Besonderheiten geblieben: Er stotterte nicht wie früher, schaute mich häufiger als sonst an, war keinesfalls schüchtern und wirkte sehr neugierig. Diese unheimliche Veränderung bestätigte nur meinen Verdacht. Alex interessierte mich auf eine neue Weise. Bisher hatte ich ihn nur als Kumpel angesehen, aber jetzt …
Dann ging es los! Zwei Jungen aus der Klasse, die zu Wlads Lakaien zählen, kamen aus einer Seitenstraße und beleidigten Alex auf alte Art. Früher hätte Alex nichts dazu gesagt. Doch der neue Alex grüßte sie normal, als wären beide seine Freunde.
Das wiederholte sich noch einige Male mit anderen, die wir auf dem Schulweg trafen. Ich warf meiner Freundin bedeutungsvolle Blicke zu. Cassy verstand langsam, dass da etwas nicht normal war.
Vor der Schule trafen wir dann auf Wladimir und seinen Zwillingsbruder Iwan. Wlad kam gleich zu uns, um Cassy abzuknutschen und so seinen Besitzanspruch zu zeigen. Ich frage mich oft, was Cassy an ihm bloß findet. Er ist viel zu alt für sie.
Nachdem er Alex bemerkte, beleidigte er diesen gleich in übler Weise. Der bemerkte es erneut nicht, sondern sprach mit Cassys Liebhaber wie mit einem guten Freund. Teilweise wirkte das sogar lustig, als verspottete er selbst Wladimir.
Das irritierte diesen, sodass er sich bei seinem Bruder Verstärkung holte. Iwan deutet darauf Alex mit der Hand an, dass er ihm den Hals durchschneiden würde. Das ist eine russische Geste, die man hier selten macht, weil sie äußerst brutal wirkt. Jeder andere aus der Klasse hätte jetzt Angst bekommen.
Der neue Alex machte aber gelassen die gleiche Gebärde zu zurück. Dabei wirkte er vollkommen furchtlos.
Iwan der Schreckliche riss vor Erstaunen die Augen auf. Der grobe Kerl dachte, er hätte sich getäuscht und wiederholte deswegen die Drohung mit einem angsteinflößenden Grinsen. Sogar mir jagte diese hässliche Gebärde einen Schauer ein.
Alex jedoch machte Iwan nochmals nach, als wäre das alles ein ganz netter Spaß. Das ging noch ein paar Mal hin und her und wirkte dadurch vollkommen idiotisch. Die anderen Jungen begannen schon über ihre Anführer zu lachen. Wer würde sie noch ernst nehmen, wenn schon der Außenseiter Alex Witze über sie riss? Sogar meine Freundin und ich kicherten.
Einen Moment fand ich das richtig toll und bewunderte unseren Freund für
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