Hexen Kuss. Werwolf-Fluch und Vollmond-Vampire
fand für kurze Momente seine Sprache wieder. Es war aber nicht unsere Sprache, sondern das wohlklingende Russisch. Ich verstand es nur bruchstückhaft und reimte mir unterbewusst einen Sinn zusammen. Wieso konnte ich das, obwohl ich bisher noch nicht einmal ein Wörterbuch im Gedächtnis abgespeichert hatte?
Manchmal klang es etwa so wie: „Werde mir Bella schnappen! Vernaschen! Cha, Cha, Cha.“
Die anderen empfanden das Beisammensein und Gerede als superkomisch.
Bald tranken alle das Zauberwasser, auch ich und sogar meine liebe Bella. Die Übelkeit davon ließ nach. Ich fühlte mich immer ungewöhnlicher, beschwingter und entwickelte die unsinnige Vorstellung, Bella eine Wahrheit erzählen zu wollen. Irgendwann fiel mir zum Glück wieder ein, dass es langsam wirklich Zeit war, diesem Kreis das Bewusstsein zu verdrehen. Dadurch sollten alle das sehen, was sie sich so sehr wünschten. Wozu hatte ich denn so ausgiebig Hypnose an meinem Schwesterchen und meiner Mutter geübt? Der widerliche Umtrunk hatte mich etwas abgelenkt.
Leider unterbrach mich Wladimir erneut. Er hatte noch so viel freien Willen, dass ihm mein hypnotisierendes Gerede merkwürdig vorkam.
„ Was erzählst du da für Schwachsinn? Wieso sollen wir uns entspannen? Ich liebe Stress! Hier, rauch das!“
Alle guckten mich mit großen Augen und in leichter Trance an. Sie waren in das erste Stadium eingetreten. In diesem folgten sie normalerweise schon den Anweisungen des Hypnotiseurs, besaßen aber immer noch eigenen Willen.
„Was ist das?“, fragte ich, als Wlad mir etwas hinhielt.
„ Gras!“
Ich überlegte kurz, fand aber über Gras nichts Ungewöhnliches in meinem Gedächtnis. Also konnte es nicht schlimm sein, zudem wollte ich mich verhalten wie alle.
Also rauchte ich ein wenig von dem Gras.
Die Gruppe kicherte.
Ich war Zauberwasser und Gras jedoch nicht gewohnt und begann nun alles durcheinanderzubringen – oder vergaß das, was ich lieber nicht vergessen sollte. Meine Fähigkeiten aus dem früheren Leben brauten sich mit dem neuen Hypnosewissen zu einem gefährlichen Cocktail, in dem Realität und Fantasie sehr eigenwillig miteinander vermischt waren. Ich konnte sie selbst nicht mehr voneinander unterscheiden.
Das bei allen geöffnete Bewusstsein glich einem trockenen Schwamm, der sich nun mit dem Wasser meiner Fantastereien füllte.
Eine zweite Flasche mit Wladimirs Zauberwasser ging herum und tat das Übrige hinzu. Auch das süßlich stinkende Gras wurde immer wieder dargeboten.
Ich fühlte mich im Wahn wie ein Schriftsteller oder Komponist, der eine ganz neue mystische Welt mit einer bezaubernden Bella und einem tapferen Grimm schuf. Mein Pendel schwang hin und her und ich plapperte wie noch nie. Ich weiß nicht mehr, was ich den anderen noch einredete. Alles sollte noch wundervoller sein, als Bella und ihre Freunde es sich erhofften. Ich fantasierte über eine Welt voller Abenteuer, Vampire, böser Werwölfe und großer Liebe. War das nicht purer Wahnsinn?
Oh Bella, wer würde dich in dieser gefährlichen mystischen Welt beschützen? Wer hätte die Kraft, die Fähigkeit und den Willen, dich vor Werwölfen und bösen Widersachern zu retten? Vertraue mir, deinem verlässlichen Freund Grimm! Kostbarste, schenk mir bitte deine Freundschaft und dein Herz!
Ich musste den anderen Wunderbares erzählt haben. Bellas Augen himmelten mich bewundernd an, als wären wir bereits ein Liebespaar.
„Alex, du bist köstlich. Ich mochte dich schon immer, aber das ist die Krönung. Ich wusste gar nicht, dass du so lustig sein kannst.“ Sie bedachte mich mit warmherzigen, liebevollen Blicken.
Wie gern hätte ich diesen Mund geküsst, der die herrlichsten Worte sprach! Doch Vorsicht, vielleicht war sie wirklich eine Hexe und würde erschrecken, wenn sie durch den Hexenkuss mehr über mich erfuhr. Inzwischen wusste ich selbst nicht, was noch real war. Um mit Bella an allem teilzuhaben, machte auch ich die Rituale mit.
„Das ist ja zauberhaft“, murmelte ich wonnetrunken. „Du hast mein Herz entflammt, darum will ich dir ein Geheimnis verraten.“
Unter dem Einfluss des Zauberwassers namens Vodka und dem gerauchten Gras wollte ich ihr etwas von meinem wirklichen Wesen präsentieren – von Grimm. Dabei wusste ich selbst nicht, was oder wer ich eigentlich war.
Die anderen lachten, klopften sich auf die Schenkel und Murka jaulte etwas gruselig.
„Ja, erzähl uns dein Geheimnis!“, stachelte Cassy mich an. „Du kannst es uns auch
Weitere Kostenlose Bücher