Hexenblut
würde nicht von hier weggehen. Carson hatte zwar die Verhandlungen übernommen, aber das hier war sein Bezirk, und er fühlte sich dafür verantwortlich. Er hatte von dem Ammoniumnitrat im Haus gehört, was seine bisherigen Informationen bestätigte. Er lebte inzwischen lange genug auf dem Land, um sich mit Düngern auszukennen.
Er sah zu den Feuerwehrleuten, die ungeduldig neben ihren Wagen warteten; sie standen noch weiter entfernt als die Polizeifahrzeuge, die alle am Rand des Grundstücks parkten. Rod humpelte die Straße entlang, verzog wegen der Schmerzen bei jedem Schritt das Gesicht und suchte den Leiter des Löschzugs. Er fand ihn hinter einem Löschgerät, wo er unruhig hin und her ging.
»Wir können nicht den ganzen Tag hier rumstehen«, beklagte er sich bei Rod und sah auf seine Armbanduhr. Dabei fiel sein Blick auf das blutgetränkte Hosenbein des Inspectors.
»Ich weiß«, erwiderte Rod beschwichtigend. »Verraten Sie mir eins: Würden Sie sich in die Nähe dieses Hauses begeben, wenn es dort brennen würde und Sie wüssten, dass sich Dünger auf Ammoniumbasis im Gebäude befindet?«
Der Brandmeister riss die Augen auf. »Auf keinen Fall«, gab er zurück. »Außerdem weiß ich, dass die da drinnen auch Öl oder Diesel haben. Ich habe die Frau reden hören. Erinnern Sie sich an den Bombenanschlag in Oklahoma?«
Rod nickte.
»Das war Ammoniumdünger. Die ganze Hausfront wurde weggerissen, und das war ein Hochhaus, nicht bloß ein altes Cottage. Wenn da drinnen was hochgeht, bleibt nur ein Loch im Hügel zurück.«
»Und was würden Sie dagegen unternehmen?«
Der Mann kratzte sich am Kopf und überlegte kurz. »Ich würde das alles einweichen, bis es triefnass ist.«
Rod lächelte. Genau das hatte er sich schon gedacht. »Noch eine andere Frage«, sagte er dann.
Vom Brandmeister kam ein verhaltenes Lächeln. Wenn ein Polizist so fragte, wie Rod es machte, dann bedeutete das meistens Ärger.
»Können Sie mit Ihren Schläuchen Glas zerbrechen?«
»Was meinen Sie damit?«, entgegnete der Brandmeister.
»Reicht der Wasserdruck in einem Schlauch aus, um eine kleine Glasscheibe zu zerbrechen?«
Der Brandmeister betrachtete Rod argwöhnisch und überlegte, ob es klug wäre, ehrlich zu antworten. Schließlich lächelte er. »Wenn sie nicht zu groß ist, sollte das machbar sein. Das hängt allerdings davon ab, wie dick das Glas ist.«
»Und wenn wir die Scheibe vorher einschlagen? Reicht der Wasserdruck dann, um einen Mann im Gebäude zu Boden zu schleudern?«
»Diese Schläuche haben dafür auf jeden Fall genug Druck«, meinte der Brandmeister und grinste breit. »Wenn Sie dem Wasserstrahl in den Weg kommen, dann werden Sie das schon merken.«
Rod nickte zufrieden. Das war die Antwort, die er hatte hören wollen.
93
C arson war nervös. Die Polizisten ringsum warteten auf sein Zeichen, doch er wusste, er brachte nicht nur sie in Gefahr. Die Feuerwehrleute setzten jeden Tag ihr Leben aufs Spiel, aber da war der Feind das Feuer, mit dem sie umzugehen gelernt hatten. Das hier war etwas ganz anderes. Die Sicherheit hing von den Entscheidungen ab, die er traf, und von den Reaktionen dieses Verrückten in seinem Cottage.
Alle waren in Rods Plan eingeweiht. Der erste Schritt bestand darin, ein Ablenkungsmanöver zu starten.
Carson wählte Dan Mathers Nummer und lauschte dem Freizeichen. Wieder klingelte es siebenmal, bis das Gespräch angenommen wurde.
»Ja?«
»Ich wollte nur mal hören, wie es Ihnen geht«, sagte Carson und nickte den umstehenden Polizisten zu.
Der Plan sah vor, die Sprengladungen unter Wasser zu setzen, damit sie keinen Schaden anrichten konnten, falls Dan den Zünder doch noch betätigen sollte. Die Polizisten waren in drei Einheiten eingeteilt, jeweils zwei Männer hielten ihre Plexiglasschilde dicht über dem Boden, die zwei Kollegen hinter ihnen hatten ihre Schilde etwas höher so in Position gebracht, dass sie die anderen ein Stück überlappten. Auf diese Weise sollten sie großflächig vor Kugeln geschützt sein, die Dan oder sein Sohn auf sie abfeuern mochte. Jeweils in der Mitte dieser Vier-Mann-Einheiten wurde ein kleiner Bereich freigehalten, sodass drei Feuerwehrleute dort hintereinander stehend Platz hatten, um den Löschschlauch zu halten, dessen Düse durch die Lücke im Schild geschoben worden war. Den Feuerwehrleuten folgten je zwei Polizisten der bewaffneten Abteilung, die mit Schnellfeuergewehren ausgerüstet waren.
»Mir geht’s gut«, entgegnete Dan.
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