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Hexengift

Titel: Hexengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.A. Pratt
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Hand auf den Boden. Er war warm, aber nicht heiß. Sie betrachtete die Frau genauer und sah, wie sich ihre Brust hob und senkte und ihre Augenlider zuckten. Sie war nicht tot, sie träumte nur. Konnte ein Fieber so stark sein, dass es den Schnee schmolz? Wenn dem so war, müsste Marla eigentlich die Hitze spüren, die von dem Körper ausging, aber das war nicht der Fall. Hatte sie etwa eine Pyromantin vor sich? Oder war
die Frau von einem Feuerdämon besessen, der gerade seinen Winterschlaf hielt? Marla befragte ihre innere Uhr und biss sich nervös auf die Unterlippe. Sie sollte sich das Ganze näher ansehen, die Frau überprüfen lassen, aber ihr blieb nicht genug Zeit, um es selbst zu tun. Niemand außer ihr wusste von Joshua Kindler und seiner wertvollen Gabe, aber je länger er hier frei herumlief, desto größer das Risiko, dass Gregor oder Ernesto oder irgendein anderer Magier ihn entdecken und ihm ein Angebot machen würden. Sobald sie bei seiner Wohnung war, würde sie Hamil herüberschicken, um die Frau zu untersuchen.
    »Schlaf schön«, sagte Marla und stand auf. Dann hielt sie inne. »Heilige Scheiße!« Marla versuchte sich das Bild der Frau im Blackwing Institute ins Gedächtnis zu rufen. Es war ein schlechtes Foto, unscharf, aber diese Frau war zierlich und hatte eine dicke Mähne. Sie könnte es sein. »Hi!«, sagte Marla. »Sind Sie Genevieve Kelley? Hast du dich … verirrt, Schätzchen?«
    Die Frau stöhnte auf wie in tiefster Verzweiflung, und Marla kniete sich wieder hin. »Geht’s dir gut?« Sie legte der Frau eine Hand auf die Wange.
    Die Straße neben ihr kippte bedrohlich zur Seite, und die Fassaden der umliegenden Gebäude wölbten sich nach außen wie die Oberkörper gigantischer Kreaturen, die sich mit Luft vollsaugten. Marla zog den Kopf ein und versuchte, sich an den Pflastersteinen des Gehwegs festzuhalten; ein Schwindelanfall stellte ihren Gleichgewichtssinn auf den Kopf. Es fühlte sich an, als befände sie sich im freien Fall durch den Raum, aber die Bewegung fand nur in ihrem Kopf statt.

    Die Frau öffnete die Augen - sie waren violett, wie verwelkende Blumen - und krallte sich an Marlas Hand fest. »Sein Mund«, sagte sie, und ihr Atem blies Marla ins Gesicht wie heißer Wüstenwind. »Sein Mund stinkt so abscheulich.«
    Marla fiel nach hinten um, unterbrach den Kontakt zu der Frau und ließ sich in den Schnee plumpsen.Verwirrt sah sie sich um, ihr Kopf hämmerte.
    Was war geschehen? Warum saß sie im Schnee? War sie ohnmächtig geworden? Sie betrachtete die Obdachlose, die vor ihr im Gras lag. Ich habe sie nicht einmal gesehen. Bin ich etwa über sie gestolpert? Marla stand auf und wischte sich den Schnee vom Mantel. Die Frau vor ihr bewegte sich kaum merklich; ihre Finger zitterten, als wolle sie nach etwas greifen. Marla verspürte einen Anfall von Mitleid, vermischt mit Abscheu. Eine dünne Schneeschicht hatte sich auf dem Gesicht der Frau gebildet. In einer Stunde würde sie vollkommen zugeschneit sein. Marla stupste sie mit dem Stiefel in die Seite, aber die Frau reagierte nicht. Wahrscheinlich schlief sie gerade ihren Rausch aus. Marla seufzte, zog ihren Mantel aus und legte ihn über die Schlafende. Zumindest würde sie jetzt nicht mehr erfrieren. Marla konnte auch auf andere Weise mit der Kälte fertigwerden. Wenn sie von Hamil zurückkam, wollte sie wieder hier vorbeigehen und ein Obdachlosenasyl verständigen, damit jemand die Frau abholte. Sie ging in einem kleinen Bogen um die Frau herum und setzte ihren Weg zu Hamils Apartment fort.
     
    Z. beobachtete Marla von den Schatten einer kleinen Nebenstraße auf der anderen Seite aus. Er konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich im Bus mit ihm gesprochen hatte! Er war
auf dem Weg zu dem Nachtclub gewesen, in dem Marla den Großteil ihrer Zeit verbrachte, um seine Observierung fortzusetzen, und als sie dann persönlich in den Bus eingestiegen war, war er aus allen Wolken gefallen. Die ganze Woche war er in dieser Verkleidung herumgelaufen, um sich die Unsichtbarkeit der Obdachlosen zunutze zu machen. Stattdessen war er Marla in seinem abgerissenen Outfit umso mehr ins Auge gestochen; hätte er einen Anzug getragen und sich als Geschäftsmann ausgegeben, hätte sie wahrscheinlich keine Notiz von ihm genommen. Nachdem sie ausgestiegen war, hatte er an der nächsten Haltestelle ebenfalls den Bus verlassen und war wieder zurückgegangen, um sie zu beschatten.
    Z. hätte ihr ein Messer zwischen die Rippen rammen können,

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