Hexengift
während sie im Bus nebeneinander gesessen hatten; es hatte ihn auch verdammt in den Fingern gejuckt, aber sein Auftraggeber wollte, dass er Marlas Herz herausschnitt und es ihm überbrachte - wahrscheinlich, um eine magische Wiederauferstehung oder dergleichen zu verhindern, wie Z. vermutete -, aber das erforderte etwas mehr Privatsphäre und eine gewisse Zeitspanne, in der er nicht gestört wurde. Nein, er würde sie weiter verfolgen, ihre Gewohnheiten auskundschaften und sie zu nächtlicher Stunde töten, wenn sie allein war und sie für eine Weile niemand vermissen würde.
Er sah, wie sie sich hinkniete und eine Frau untersuchte, die ausgestreckt auf dem Boden lag. Dann fiel sie plötzlich zurück in den Schnee und landete unsanft auf ihrem Hintern. Dort saß sie ganz still, das Kinn auf der Brust, die Augen fest geschlossen, fast eine ganze Minute lang. Z. atmete
siebenmal ein und aus, während Marla unbeweglich so dasaß. Sehr interessant. Ob sie wohl an Narkolepsie litt? Jedenfalls hatte niemand ihm etwas Derartiges berichtet. Eine Frau, die mitten auf der Straße ohnmächtig wird, dürfte nicht schwer zu töten sein, dachte er sich.
Dann zuckte sie, hob den Kopf und sah sich verwirrt um. Z. hielt den Atem an, damit die kondensierende Feuchtigkeit vor seinem Mund ihn nicht verriet, wenn sie in seine Richtung schaute. Marla stand auf, breitete ihren Mantel über die immer noch bewusstlose Frau und ging zielstrebig davon.
Sobald Marla um die nächste Ecke gebogen war, schlüpfte der Attentäter aus seiner Deckung und schlich lautlos hinter ihr her. Als er an der schlafenden Frau vorbeikam, bewegte diese sich plötzlich und setzte sich auf. Sie gähnte und streckte sich, als wäre sie gerade zuhause in ihrem warmen Bett aufgewacht; Marlas Mantel glitt an ihr herab und blieb zu einem Haufen zusammengesunken in ihrem Schoß liegen. Die Frau sah Z. an, runzelte kurz die Stirn und sagte dann: »Sie erinnern mich an jemanden. Nein, warten Sie. Ich erinnere Sie an jemanden.«
Und das tat sie; aber Z. war sich nicht sicher, an wen genau. Etwas an ihren Haaren löste in ihm eine angenehme Assoziation aus … Z. schüttelte den Kopf. Es bestand kein Grund, unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was war weniger auffällig - wenn er ihr half oder wenn er einfach weiterging? Er streckte seine behandschuhte Hand aus. Die Frau ergriff sie, und er zog sie auf die Beine. Und dann drehte sich die Welt um ihn herum, der Himmel tauschte Platz mit dem Boden unter seinen Füßen, und ein durchdringender, entsetzlicher Gestank wie krankhafter Mundgeruch
nach halb verwestem Fleisch, Moder und verfaultem Spinat erfüllte seinen Kopf.
Z. bekam seine Sinne wieder unter Kontrolle und merkte, dass er halb auf dem Gehweg, halb auf der Straße lag. Der Randstein drückte ihm kalt und hart ins Kreuz. Er setzte sich auf und fragte sich, ob er angeschossen worden war oder ob jemand ihm von hinten mit einem Totschläger eins übergezogen hatte, aber er konnte nicht den geringsten Hinweis auf eine Verletzung entdecken. Hatte er etwa … einen Black-out gehabt? Litt er an einer noch nicht erkannten Nervenkrankheit? Der Gedanke an einen derartigen Kontrollverlust erschreckte ihn bis ins Mark. Er stand auf und sah sich um. War da nicht eben noch eine Frau im Gras gelegen, schlafend? Etwas an ihr war besonders gewesen … aber die Erinnerung entschlüpfte seinen Gedanken wie ein Traum kurz nach dem Aufwachen. Die Frau war nicht mehr da. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Er eilte die Straße entlang und hoffte, dass er nicht zu lange außer Gefecht gewesen war, dass er Marlas Spur nicht verloren hatte und dass er nicht wieder zusammenbrechen und zuckend auf der Straße sterben würde.
Hamil hieß Marla an der Eingangstür seines riesigen Apartments willkommen. Sein massiger Körper füllte den Türrahmen aus, und Schweißperlen glänzten auf der dunklen Haut seines rasierten Schädels. Er grinste breit. Hamil war ihr Consigliere, ihr Chefberater und engster Verbündeter in der Magierelite Felports. Ohne seine Hilfe wäre sie wohl schon in ihrem ersten Jahr als Magieroberhaupt einem Attentat zum Opfer gefallen, auch wenn es ihr seither gelungen war,
ihre Position dadurch zu festigen, dass sie die Stadt ein- oder zweimal vor dem sicheren Untergang bewahrt hatte. Bei der Lösung der unvermeidlichen persönlichen Konflikte stand Hamil ihr jedoch immer noch zur Seite. Die Magiergrößen Felports waren Ehrerbietung und Respekt gewohnt, und
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