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Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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Confratres getrennt, da es ihn drängte, seiner Heimatstadt einen Besuch abzustatten. Seine Mutter war bereits vor Jahren friedlich im Schlaf zu ihrem Schöpfer heimgekehrt, auch der Abt hatte seine Augen für immer geschlossen und sonst kannte er eigentlich kaum mehr jemanden in Isny. Ob der Pater Anselmus noch lebte? Er sah kurz zum Fenster hinaus, als ein neuer Schauer gegen das Gefährt prasselte.
    Ihm tat der arme Kutscher Leid, der vorne so gut wie ungeschützt den Elementen ausgesetzt war, während er mit einem Kaufmann, der nach Mailand wollte und einer behäbigen Frau, die nach Leutkirch zu einer Beerdigung musste, in der trockenen Geborgenheit der Kutsche saß.
    Nider genoss es, wieder unter einfachen Menschen zu sein und wieder in ihrer einfachen Sprache sprechen zu können. In all den Jahren hatte er nie vergessen, wo er eigentlich hergekommen war. Hier fand er oft mehr Weisheit als in den ganzen spitzfindigen und eitlen Diskursen an der Universität oder in dem gestelzten Halbwissen der Adligen und Patrizier. Jeden Tag las er an einem anderen Ort eine heilige Messe, hörte die Beichte und unterhielt sich mit den Leuten. In allen sah er seine Geschwister, gleichgültig, ob sie nun Ziegenhirten, Abdecker, Bauern, Handwerker, Mägde oder Fürsten waren.
    Ein greller Blitz, der gleichzeitig von einem gewaltigen Knall begleitet wurde, tauchte selbst das Innere der Kutsche in helles Licht. Gleich darauf vernahmen sie das berstende Krachen des getroffenen Baumes knapp einen Steinwurf von ihnen entfernt. Die Pferde bäumten sich entsetzt auf, rissen unter panischem Wiehern den gefährlich schleudernden Wagen von der Straße, zerrten ihn durch den tiefen, aufgeweichten Lehm und kamen erst zitternd zu stehen, als die Räder mit einem harten Ruck im schweren Morast stecken blieben. Nicht nur dem Kutscher, sondern auch den Insassen stand der Schrecken noch im Gesicht, als sie kreidebleich und benommen aus dem Gefährt krochen.
    »Himmelherrgottsakrament!«, fluchte der Fuhrmann, nachdem er sich als Erster gefasst und mühsam wieder die Rösser beruhigt hatte und sich nun nach seinen Fahrgästen umsah: ein Kaufmann, eine Frau und ein Mönch – von denen brauchte er sich keine große Hilfe erwarten.
    »Himmelherrgottsakrament!«, entfuhr es ihm nochmals und die Gegenwart des Geistlichen war ihm im Moment völlig gleichgültig.
    Der Dominikaner wies ihn scharf zurecht: »Du wagst es, Gott zu lästern, der uns gerade ein Beispiel seiner Macht gezeigt hat?! Wenn er gewollt hätte, wäre es für ihn ein Kleines gewesen, die Kutsche zu treffen. Aber anstatt ihm zu danken, beleidigst du ihn. Vielleicht wollte er uns nur zeigen, wie schmal der Grat zwischen Leben und Tod ist. Denke darüber nach. Zeit dazu hast du genug, wenn du auf deinem Kutschbock sitzt.«
    Kleinlaut entschuldigte sich der Kutscher, dass er das nicht so gemeint habe und es ihm einfach herausgerutscht sei.
    »Das ist keine Antwort. Herausrutschen kann nur etwas, was in einem drinnen ist!«, erwiderte Nider streng.
    Bis die Kutsche wieder auf der Straße stand, waren alle vier bis auf die Haut durchnässt und mit kalter, lehmiger Erde beschmiert. Die Frau bat die Männer, allein in die Kutsche steigen zu dürfen, wo sie sich etwas Trockenes anziehen wolle.
    Ungeduldig standen sie im herabtrommelnden Regen, der Kutscher und der Kaufmann riefen abwechselnd, wie lange es noch dauern möge, nur der Mönch hielt sich abseits, insgeheim zwickte ihn immer noch ein wenig das Gewissen und er bat den Herrn, sein Ungemach als Buße für den Bruch der Ordensregel anzunehmen, die ihm eigentlich streng vorschrieb, alle Wege zu Fuß zurückzulegen und auf Zuhilfenahme eines Fuhrwerkes oder Pferdes zu verzichten.
    Es gab eigentlich nur drei Ausnahmen, die es erlaubten, diese Regel zu brechen: Wenn ein Bruder zu einem Fürsten gerufen wurde, er außerhalb des Klosters erkrankt war oder wenn er zu einem Kranken gerufen wurde. Eine Zuwiderhandlung wurde mit Auspeitschung und Essen auf dem Boden sitzend bei Wasser und Brot bestraft. Aber bei dem Wetter wäre er per pedes nicht weit gekommen, sondern wäre mit seinen Mitbrüdern in Biberach festgesessen und hätte nur kostbare Zeit vertan. Nider hatte sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, war dann aber zum Schluss gekommen, dass unter diesen Umständen die Fahrt mit einer Kutsche die größere Härte sei.
    »Wollt Ihr Euch nicht umziehen?«, fragte der Kaufmann erstaunt und sah auf den triefenden Priester, während er

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