Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Feuer, denen wiederum Heilpflanzen mit feuchten, trockenen, kalten und heißen Eigenschaften zugeordnet wurden. Auch die Körpersäfte wurden nach diesen vier Elementen eingeteilt und ihnen wurden ebenso verschiedene Eigenschaften und Temperamente zugeordnet:
Schwarze Galle: Melancholie, Schleim: Phlegma, Gelbe Galle: Cholerik und Blut: Sanguinik.
Durch entsprechende Medikamente konnte der Arzt den Säftehaushalt umformen und ausgleichen.
Für die Beschäftigung mit solchen Dingen blieb ihm jedoch immer weniger Zeit.
Seit seinem Eintritt bei den Dominikanern war er ein glühender Verfechter der von seinem einstigen Oberen und Lehrer Konrad von Preußen vorangetriebenen Reformierung des Ordens und der Rückführung zu der strengen Auslegung der Regeln.
Aus dem weltfremden Knaben von einst war ein Mann geworden, der nun schon langsam auf die fünfzig zuging und der seine gewachsenen Prinzipien ehern auch mit ungewöhnlichen Mitteln durchzusetzen wusste.
Ihm war klar, dass seine Berufung als Prior des Nürnberger Konventes nicht nur eine Fügung des Allmächtigen war, sondern auch mit den aufsässigen Nonnen des Frauenkonventes von Santa Katharina zusammenhing: Schon seit über dreißig Jahren wehrten sich die Frauen dieses Klosters erfolgreich gegen die strikte Observanz, auch sein Lehrer Konrad war hier schon gescheitert.
Es war ein kühler 28. September 1428, als Johannes Nider zusammen mit dem deutschen Ordensprovinzial Nikolaus Notel durch die Klosterpforte trat. Ebenso kühl wie das Wetter war auch der Empfang und die Stimmung, die den beiden entgegenschlug. Nider befahl alle Nonnen in die Klosterkirche, aber alle seine in einer wortgewaltigen Predigt vorgetragenen Argumente und Betrachtungen fielen auf steinigen Boden.
»Ihr habt gelobt und dem Herrn versprochen, seine Nachfolge anzutreten und ein gottgefälliges, heiligmäßiges Leben zu führen. Was aber macht ihr? Euer Leben unterscheidet sich in vielen Bereichen kaum von dem weltlicher Bürger. Ihr trachtet nicht mehr nach Spiritualität und Mystik, sondern tanzt um das goldene Kalb. Wie sollen uns die Laien noch glauben, wenn wir Wasser predigen und Wein nicht nur trinken, sondern saufen? Wie können wir als Ordensleute noch Vorbilder sein, wenn unser Lebenswandel zum Gespött des Volkes geworden ist? Wie können wir von der Einheit der Kirche verkünden, wenn wir selbst untereinander uneins sind?« Im Dämmerlicht der Kirche sah er in ihre versteinerten Gesichter. »Ich sehe es«, rief er, »ich sehe in eure dunklen Herzen, in denen die Flamme des rechten Glaubens erloschen ist. Hier ist nicht das Haus Gottes, sondern hier regiert der Antichrist!« Enttäuscht sah er ihnen nach, als die Nonnen mit eisigen Mienen die Kirche verließen.
»Was hast du geglaubt, lieber Bruder? Hier haben sich schon andere die Zähne ausgebissen. Aber du wirst es schaffen, sie zur Einheit und den ursprünglichen Idealen unserer Kongregation zurück zu bewegen!«
Nider warf dem Provinzial einen müden Blick zu. »So viel Dunkelheit und so wenig Licht!«
Er kam nun jeden Tag in den Konvent, er sprach in Gleichnissen, bat und flehte, aber alles war vergebens. Nach drei Wochen war er der Verzweiflung nahe. In seiner Not trat er an einige Nürnberger Ratsmitglieder heran. »Dieses Kloster ist ein Sündenpfuhl. Die Nonnen sind eingebildet, eitel, geschwätzig und unbelehrbar. Sie sind eine Schande nicht nur für den Orden, sondern auch für die Stadt kein Grund zur Freude. Ich habe schon mit der Oberin des Konventes Schönensteinbach im Elsaß korrespondiert. Sie wäre bereit, zehn fromme Schwestern hierher zu entsenden, um die hiesigen Nonnen zur Räson zu bringen. Allerdings brauche ich dazu die Unterstützung des hochwohllöblichen Rates der Stadt Nürnberg. Ich bitte Euch daher, in einem Schreiben nach Schönensteinbach die Umstände im Nürnberger Kloster zu schildern und meinem bisherigen Schriftverkehr Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig bitte ich Euch, auch hier im Katharinenkloster vorstellig zu werden und den verirrten Schwestern ins Gewissen zu reden. Ich weiß, es gibt sowohl im Stadtrat als auch in der Bevölkerung Personen, die für die eigenwillige und liederliche Lebensweise der Nonnen durchaus Sympathie aufbringen. Aber so kann und darf es nicht weitergehen. Haltet Euch das Beispiel eines Ameisenhaufens vor Augen: Auch dort geht es lebhaft zu. Trotz des bei oberflächlicher Betrachtung scheinbaren Gewimmels herrscht eine strikte Ordnung, ohne die der
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