Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Ameisenstaat wie jedes Gemeinwesen nicht existieren könnte. Jede Ameise braucht die Gemeinschaft. Ohne sie stirbt sie in kurzer Zeit. Mehrere Ameisen zusammen können etwas länger überleben, aber auch sie sind dem Tod geweiht, wenn es ihnen nicht gelingt, einen neuen Staat zu gründen. Aber selbst dann ist die Existenz dieser Abtrünnigen noch längst nicht gesichert. Ähnlich verhält es sich hier mit dem Katharinenkloster. Entweder unterwirft es sich den übergeordneten Regeln, oder aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis der geistige Zerfall auch zum Niedergang des Konventes führen wird, was auch für die Stadt einen herben Verlust bedeuten würde.«
Am 6. Dezember 1428 trafen die zehn reformierten Nonnen ein, aber erst am 13. Dezember erklärten sich die Nürnberger Schwestern auch unter weltlichem Druck bereit, die Mitschwestern aus dem Elsässer Konvent bei sich aufzunehmen.
Kaum aber waren die neuen Schwestern eingezogen, geschahen seltsame Dinge. Die Nonnen berichteten mit zitternden Stimmen von einem Dämon, der sie nachts mit unheimlichen Lauten erschreckte.
»Das ist sicher kein Dämon, sondern wahrscheinlich sind das Ratten und Mäuse, die euch Angst einjagen!«, versuchte Nider die verängstigten Schwestern zu beruhigen.
»Das sind ganz andere Töne. Ratten und Mäuse kennen wir. Es ist unheimlich, wir können kein Auge zu machen!«
Die Nonnen ließen sich nicht davon abbringen, dass ein Dämon im Kloster umging, worauf ihnen Nider erwiderte, dass sie sich das nur einbildeten, da es allgemein bekannt sei, dass das weibliche Geschlecht für solche Phantastereien empfänglich sei und sie sich gegenseitig damit verrückt machen würden.
In der nächsten Nacht aber warteten alle vergeblich auf das Läuten zur Mette. Sie fanden die Sakristarin, die zu den Aufrührerinnen zählte, so verkrümmt und elend zugerichtet im Raum unterhalb des Glockenstuhles, dass niemand – auch Nider nicht – daran glaubte, dass sie den folgenden Tag überleben würde. Schließlich ging der Spuk auch am helllichten Tage weiter und niemand wagte es mehr, alleine herumzulaufen. Nider musste sich eingestehen, mit seinem Wissen am Ende zu sein. Er legte den Schwestern öffentliche und private Gebete auf, empfahl ihnen Geduld und Gottvertrauen.
»Seht, solange wir den früheren und alten Weg beschritten haben, ist so etwas nie vorgekommen«, riefen einige aufmüpfig.
»Satan hatte auch keine Veranlassung, um euch zu kämpfen, weil ihr schon so verdorben wart!«, gab Nider zurück.
Zuerst waren es einige wenige, aber nach und nach kamen fast alle und legten eine Beichte über die Taten ihres ganzen Lebens ab. Sie wechselten ihre Kleidung und zogen die der Ordensvorschrift entsprechende Tracht an.
»Das göttliche Wirken hat am Ende doch über die Schliche des Teufels obsiegt!«, sagte Johannes. Nider zufrieden zu Gertrud Gwichtmacherin, die auf sein Betreiben hin als neue Priorin des Katharinenklosters eingesetzt wurde. »Meine Arbeit hier ist getan. Aber auch im Basler Konvent in der Schweiz geht es drunter und drüber. Der Ordensgeneral, Bruder Bartholomäus Texery, hat mich dorthin bestellt. Auch dort weigern sich verblendete Mitbrüder, nach den ursprünglichen Regeln zu leben und sich unter die Observanz der apostolischen Kirche zu stellen. In Basel hat der Teufel einen Teil der Brüder schon so fest im Griff, dass wir zuerst im Berner Konvent wohnen müssen, da ansonsten mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen ist, wie mir berichtet wurde. Aber ich gehe ja nicht allein. Zwölf Mitbrüder aus Nürnberg werden mich begleiten und uns zur Seite stehen.«
»Wie die zwölf Apostel«, lächelte die neue Priorin.
»Und ich wäre der dreizehnte, also der Herr?«, gab Johannes Nider irritiert zurück.
»Nein, selbstverständlich nicht. Aber einer seiner Stellvertreter«, erwiderte die Nonne erschrocken.
»Das sind meine Mitbrüder auch. Ich bin höchstens primus inter pares, also Erster unter Gleichen.«
2. KAPITEL
S chon seit zwölf Tagen regnete es ununterbrochen, die Regengüsse verwandelten Wiesenkuhlen in Seen, von den Lehmwänden der Häuser löste sich der Putz, entwurzelte Bäume trieben in den Flüssen, legten sich quer, schoben sich übereinander und ließen die Wasser über die Ufer treten. An den Hängen zerfloss die Erde und legte sich als schwerer, brauner Brei über Wege und Straßen. Auf den Feldern stand das Vieh fast knietief im Schlamm.
Bei Biberach hatte Johannes Nider sich von seinen
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