Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
selbst mit einem Bündel trockenen Gewandes hinter einer mächtigen Buche verschwand.
»Nein, nein. Es geht schon. Das trocknet wieder von selbst!«
»Das ist ein Wetter!«, sagte die Frau später und wählte ihre Worte mit Bedacht, »fast könnte man meinen, der Teufel selbst hat seine Hand im Spiel. Seit zwei Wochen regnet es ununterbrochen, durch den strengen Winter haben die Bauern kein Heu mehr und jetzt haben die Tiere auch noch kein Gras. Im letzten Sommer hat der Hagel die halbe Kornernte vernichtet, was noch übrig blieb, verdorrte wiederum zur Hälfte in der anschließenden Bruthitze und der Rest wurde von Sturm und Regen zu Boden gedrückt und verfaulte.«
Unsicher sah sie hinüber zu dem Mönch, der sich in die Ecke gekauert hatte und sein Frieren vor den Mitreisenden zu verbergen suchte.
»Ja, man könnte das wirklich meinen«, pflichtete der Kaufmann bei, »ich komme ja weit herum und überall ist es dieselbe Misere. Die Sommer sind keine Sommer mehr, sondern höchstens eher bessere Herbste, die Winter sind schneereicher und kälter als früher. Schaut nur aus der Kutsche, wie soll da noch etwas wachsen und Mensch und Tier ernähren?« Er machte eine kurze Pause und schob den Vorhang sofort wieder zurück, als der Wind einen Schwall dicker Regentropfen in das Kutscheninnere jagte. »Aber das ist ja noch nicht alles. Nicht genug, dass in den Bergen die Bäume von den Hängen herab gespült werden, im Winter kommen dann die Lawinen und reißen auch noch die letzten Baumbestände in die Tiefe. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: Straßen, die früher ab dem Frühjahr mühelos passiert werden konnten, waren noch im Sommer mit hohen Schneemassen versperrt oder ganz weggerissen. Über den Septimerpass in der Schweiz, den schon die Römer jahrhundertelang als Übergang benutzten, war im letzten Jahr kein Durchkommen mehr. In Savoyen haben sie erzählt, dass die Leute drüben in den Bergtälern des Dauphiné Wurzeln und selbst das magere Bergheu, welches selbst die Kühe verschmähen, abkochen, um nicht vor Hunger zu sterben.« Er machte eine Pause und sah seine Mitreisenden an. »Auch dort«, fuhr er fort, »erzählt man sich, dass der Teufel seine Hand im Spiel hat. Aber nicht so, wie ihr meint, dass er das alleine macht, nein! Es soll dort Leute geben, und wie mir zu Ohren gekommen ist, nicht nur dort, sondern auch im Lombardischen und in vielen anderen Gegenden, die ich durchreiste, die mit dem Satan einen Pakt geschlossen haben, um sich damit einen Vorteil zu sichern. Aus dem ausgelassenen Fett von ermordeten Kindern stellen sie Salben her, mit deren Hilfe sie nächtens auf einem Besen oder Ziegenbock zu ihren geheimen Zusammenkünften fliegen. Genaues weiß ich natürlich auch nicht, da die Geschichten überall anders erzählt werden. Auch wird behauptet, dass es Leute geben soll, die sich in ein Tier verwandeln können und in dieser Gestalt vielfältigen Schaden zufügen können.«
Johannes Nider saß still in seiner Ecke und hörte aufmerksam zu. Was die beiden hier erzählten, war für ihn nicht neu. Fast täglich kamen ihm solche Geschichten zu Ohren und auch im Beichtstuhl kam es immer häufiger vor, dass er um seinen Rat gegen Verhexungen und Verwünschungen gebeten wurde. Längst war auch er im Zweifel, ob die im Canon episcopi vertretene Lehrmeinung, wonach der Teufel nur den Geist verwirren, aber keinen eigentlichen Schaden anrichten könne, nicht neu überdacht und interpretiert werden müsse.
»Drüben im Dauphiné«, fuhr der Kaufmann fort, »sollen diese Hexensekten aus der Lombardei eingeführt worden sein. Sie haben sich – so sagt man jedenfalls – als Ärzte, Kuppler, Bettler und Wahrsager eingeschlichen. Aber jetzt sei im Kreis Briançon ein Richter eingesetzt, der kein langes Federlesen mit diesem verkommenen Gesindel macht und rigoros aufräumt!«
»Claude Tholosan«, murmelte Nider.
»Was sagt Ihr?«, fragte der Kaufmann verdutzt.
»Claude Tholosan, so heißt der Richter. Ich habe von ihm gehört. Er ist noch nicht lange im Amt.«
»So einen müssten wir hier auch haben«, seufzte die Frau. »Aber bei uns ist der Obrigkeit alles gleichgültig, solange wir die Steuern und Abgaben noch bezahlen können. Das wird sich erst ändern, wenn sie nichts mehr aus uns herausquetschen können.«
Der Kaufmann nickte beipflichtend.
»Der Mensch lebt nicht vom Brot allein«, meldete sich Nider bestimmt aus seiner Ecke.
»Es sind die geistigen Werte, die alles erst ermöglichen. Sie
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