Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Farbe.«
Niklas’ Feder kratzte über das Papier.
»Obwohl schwarze Ameisen einen kleinen Körper haben, überragen sie doch größere Tiere an Körperkraft. Obwohl sie in großer Zahl zusammen leben, haben sie keinen Herrscher. Ihre Gesellschaft unterscheidet sich darin vom Bienenstaat. Ameisen gehorchen einander gegenseitig ohne Anweisungen, weil ihrem Staatswesen eine innere Ordnung zu Grunde liegt. Diese sagt ihnen nicht nur, dass sie ein eigenes Haus für ihren Staat brauchen, sondern auch, wie sie es bauen müssen. Dieses Haus hat verschiedene Räume, Tunnelsysteme und Geheimgänge. Sie stellen ihre Nahrung nicht wie die Bienen selbst her, sondern sie tragen die von Gott gegebenen Geschenke in ihren Bau. Sie bestatten ihre Toten auf eigenen Friedhöfen, sie unterhalten ein eigenes Heer mit Soldaten, die nicht nur Gift spritzen, sondern die ihre Kiefer wie Scheren einsetzen und damit ihre Feinde zertrennen. Aber Arbeitsameisen wiederum kennen untereinander kein herrisches oder aggressives Verhalten. Ein wichtiges Merkmal ist die Brutfürsorge, sie füttern, säubern und beschützen die Larven und Puppen, aber sie säubern sich auch gegenseitig. Wenn sich eine junge Ameise nicht selbst aus der Puppenhülle befreien kann, helfen ihr andere beim Schlüpfen, wir Menschen würden sie als Hebammen bezeichnen. Zur Farbe der Ameisen ist anzumerken, dass sie einen ähnlichen Bezug hat wie die Säftelehre von Galen. Kälte schadet der Fortpflanzung der Ameisen – diesen Aspekt diskutieren wir im fünften Kapitel. Hast du das?«
»Wie würdet Ihr einen Zauberer beschreiben?«, wollte Niklas wissen.
»Ein Zauberer ist jemand, der Schlechtes tut und schlecht dem Glauben dient. Beides findet man häufig bei ihnen, die durch abergläubische Handlung Menschen verletzen!«
»Auf welche Art und Weise können sie das bewerkstelligen?«
»Es gibt sieben Arten«, gab Nider zur Antwort, »die durch Worte, Riten, Handlungen in Verbindung mit einem Dämonenpakt wirksam werden. Die erste Art ist das Hineintragen schlechter Liebe bei einem Mann oder einer Frau. Die zweite ist das Erzeugen von Hass und Neid. Die dritte Erzeugung männlicher Impotenz und weiblicher Unfruchtbarkeit. Die vierte das Krankmachen eines Menschen. Die fünfte die Vernichtung von Leben. Die sechste den Raub des Verstandes und als siebente haben wir die Schädigung eines Menschen in seinen Angelegenheiten und in seinem Denken.«
»Ihr solltet darüber ausführlich schreiben, da es viele Leute gibt, die das alles bestreiten und natürliche Ursachen dafür verantwortlich machen!«
»Du bist wirklich ein Piger«, tadelte Nider, »hast du die Folgen bedacht? Wir würden das genaue Gegenteil erreichen. Wenn wir es genau schildern, könnten wir gleich ein Zauberbuch schreiben. Wenn wir die Riten und Verfahren aber nur andeuten, werden sie sich solche Bücher beschaffen und viel Zeit und Mühe darauf verwenden, diese zu lesen. Es ist besser, sie wissen nicht alles so genau, da sie es wahrscheinlich wegen ihrer Ungebildetheit auch gar nicht verstehen würden. Ich denke, es ist ausreichend und besser, wenn ich nur die Vorkommnisse anführe, die mir von glaubwürdigen Leuten zugetragen wurden.«
Er hielt vor einem der großen Regale inne. »Nigromantiker schreib das auf, die gehören auch dazu!«
»Was unterscheidet denn diese von Zauberern?«
»Sie weisen die Toten an aufzustehen und ihnen geheime Dinge mitzuteilen. Mit Dämonenhilfe verüben sie aber auch Schadenszauber und beschädigen Menschen. Abt Benedikt von den Benediktinern war einer von ihnen.«
»Abt Bernhard … hier in Wien, im Schottenkloster … den wir vorgestern getroffen haben?«, stammelte Niklas und erbleichte.
In einer Seitengasse in der Nähe des Stephansdomes war er plötzlich vor ihnen gestanden. Eine riesige Gestalt mit einem monströsen Schädel und einem Gesicht wie eine Fratze, an dem das Mönchsgewand des heiligen Benedikt geradezu wie eine Beleidigung wirkte.
»Ja, genau der«, bestätigte Nider, »seine Geschichte hat er mir selbst erzählt. Ursprünglich stammt er aus Bayern. Er war ein Tunichtgut, Possenreißer und Gaukler und er besaß einige Bücher über Nigromantie. Bei den Adligen war er wegen seiner Künste wohl gelitten, auch wenn sie Angst vor ihm hatten. Über lange Jahre führte er ein ausschweifendes und wüstes Leben. Seine fromme Schwester war im Orden der Büßerinnen und betete Tag und Nacht um ihn. Benedikt plagte zunehmend das Gewissen und er beschloss, Buße
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