Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
ihn eine weitere Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Aber er verriet mit keinem Sterbenswort, dass er schon seit längerem an einer Lösung arbeitete. Buchdruck mit beweglichen Lettern – diese Erfindung würde alles auf den Kopf stellen! In der gleichen Zeit, in der ein Schreiber mühsam Buchstabe für Buchstabe malte und vielleicht nach einem Jahr fertig war, konnte er von demselben Buch Hunderte herstellen, die dann wiederum nur einen Bruchteil des handgeschriebenen Exemplares kosten würden. Aber er wusste, dass er nicht der Einzige war, der daran arbeitete. In Italien sollte sich angeblich ein gewisser Pamfilo Castaldi damit beschäftigen und aus Avignon in Frankreich hatte er von einem tschechischen Goldschmied namens Prokop Waldvogel gehört.
»Ja, ohne Euch hätte ich mir mit meiner Erfindung noch schwerer getan. Eure Aufträge für die Ablasszettel haben die Druckerei lange am Leben gehalten. Obwohl – manchmal frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich mich mit etwas anderem beschäftigt hätte!«
»Nein! Eure Erfindung ist ein Segen für die Menschheit! Wie könnt Ihr so sprechen!«, widersprach Nikolaus von Kues energisch.
»Und was habe ich davon?« Gutenberg schlug aufbrausend mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Immer noch der alte Hitzkopf!«, lachte der Kardinal.
»Es ist doch wahr. Beschissen und betrogen haben sie mich. Vor allem dieser elende Fust, mein Teilhaber, dieser Kleingeist und Pfennigfuchser zusammen mit meinem sauberen Gehilfen Peter Schöffen Schaut Euch um! Jetzt sitze ich wieder in Eltville bei meiner Verwandtschaft und habe für zwei Brüder, Bechtermünze heißen sie, eine Druckerei eingerichtet und frette mich gerade so durch. Und die Mainzer – die soll der Teufel holen, alle zusammen!«
Nikolaus von Kues kannte ihn nun schon lange genug, um zu wissen, dass es sinnlos war, ihn zu bremsen.
Wenn Gutenberg in Fahrt war, konnte ihn nichts und niemand aufhalten. »Entschuldigt, ich habe noch gar nicht gefragt, was Euch zu mir führt!«, fragte er, nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
»Könnt Ihr Euch noch an Nider, Johannes Nider erinnern?«
»Nider? Der vom Konzil? So ein kleiner dicker Dominikaner?«, fragte Gutenberg respektlos.
»Genau der!«
»Der hat doch so ein Buch geschrieben. Über Ameisen oder so etwas …«
»Genau!«
»Aber der lebt doch bestimmt nicht mehr!«
Der Kardinal nickte. »1438 ist er gestorben. In Nürnberg. Er war vorher noch einmal in Basel und hat dort sein Buch vorgestellt. Inzwischen gibt es ziemlich viele Abschriften davon, aber eigentlich nur wenige, die vollständig sind, da man vielfach nur die Teile abgeschrieben hat, die im jeweiligen Interesse waren.«
»Da war schon einmal jemand mit einer angeblich kompletten Kopie bei mir in Mainz und wollte ein Preisangebot. Wir haben aber mit dem Bibeldruck so viel zu tun gehabt, sodass ich es vergessen habe. Das Buch hat er mir – ich glaube, es war ein Dominikaner – dagelassen.«
»Habt Ihr es noch?«
Gutenberg lachte höhnisch. »Wie soll ich das haben? Glaubt Ihr, wenn man Euch an den Kragen will, habt Ihr anderes zu tun, als einem Buch nachzurennen? Ihr wisst ja, was passiert ist. Es ging um den verworrenen Streit zwischen Diether von Isenburg und Adolf von Nassau, die Bürger waren für Isenburg, weil dieser ihnen versprach, die Privilegien des Klerus im Zusammenhang mit dem Weinhandel abzuschaffen. Dann aber wurde dieser abgesetzt und Adolf von Nassau zum Mainzer Erzbischof eingesetzt. Im Oktober 1462 überfiel der Nassauer die Stadt, es gab vierhundert tote Bürger, achthundert wurden aus der Stadt getrieben. Die Vertriebenen verloren all ihr Hab und Gut. Einer von den achthundert war ich und eigentlich habe ich Glück gehabt, nicht zu den vierhundert gehört zu haben!« Gutenbergs Halsschlagader schwoll gefährlich an. »Jetzt brüsten sie sich damit, die Stadt zu sein, in der der Buchdruck erfunden wurde. Meine mühsam wieder neu aufgebaute Druckerei ist futsch, meine Gesellen sind nun in alle Winde verstreut und mich jagen sie wie einen räudigen Hund davon. Überhaupt, eigentlich war ich in meinem Leben beinahe mehr im Exil als in der Stadt Mainz. Verdammt sei Mainz!« Er verzog angewidert das Gesicht und machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Ja, ja, jeder hat sein Kreuz zu tragen!«, antwortete Nikolaus von Kues.
Beide schwiegen eine Zeit lang.
»Und, wie ist es Euch ergangen in den ganzen Jahren? Man sagt, dass Ihr zwar zu den
Weitere Kostenlose Bücher