Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Pfaffe? Vor nicht allzu langer Zeit hatte er nichts als Verachtung für sie übrig gehabt und jetzt wollte er selber einer werden? »Nein, du willst ja nicht. Nur diese blöde Stimme sagt es«, murmelte er und schlug wütend mit dem Fuß gegen die Wand. Irgendwann wurde sein Sträuben schwächer, was ihn aber nur noch mehr beunruhigte. »Nein, ich werde kein Mönch. Ich kann es nicht und will es auch nichts«, sagte er trotzig. Dann aber kniete er wieder stundenlang in der Kirche und betete verzweifelt um Erkenntnis und hoffte insgeheim, dass der Ruf verstummen möge. Aber was er auch unternahm, die Stimme lockte süß und machte ihm gleichzeitig Angst. Als er es nicht mehr aushielt, bat er Pater Johannes um ein Gespräch.
Nider sah seinem Schützling ernst in die Augen. »Glaube mir, ich weiß, wie das ist. Auch ich habe das durchgemacht. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder wartest du so lange, bis du sicher bist, den Ruf annehmen zu können, oder du verlässt das Kloster und versuchst, ihn zu vergessen. Du musst loslassen können, sonst wirst du unglücklich. Übereile nichts, du bist noch jung und hast Zeit. Aber du musst es freiwillig tun und bereit sein, es als ein Geschenk zu betrachten. Sonst wirst du unglücklich und läufst Gefahr, einer dieser Mönche zu werden, wie sie haufenweise herumlaufen und ein sinnentleertes Leben führen!«
Nider blickte dem jungen Mann nach, der mit dem Saum seiner Kutte in den Händen wie ein närrischer Ziegenbock über die Wiese hüpfte. Zu sechst waren sie heute schon bei Sonnenaufgang im Dominikanerkloster in Krems aufgebrochen, wo am Abend vorher die Stimmung in offenes Misstrauen umgeschlagen war, als sie sich als reformierte Ordensbrüder zu erkennen gaben und er seinen Namen nannte.
Für zusätzlichen Ärger sorgte noch der Streich von Niklas, der dem laut schnarchenden Abt die Zellentüre aus den Angeln gehoben hatte, die dann mit lautem Poltern in den Gang krachte, als dieser sie am Morgen öffnen wollte, um seine weiterziehenden Mitbrüder zu verabschieden. Vor lauter Schreck war er mit einem Satz zurück in die Zelle gesprungen, hatte geschimpft wie ein Rohrspatz und behauptet, das hätten sie aus purer Rachsucht getan.
Schon von weitem hörten sie das aufgeregte Geschrei, das aus dem kleinen Dorf drang. Niklas war stehen geblieben und wartete auf seine Gefährten. Auf dem staubigen Dorfplatz wand sich zuckend eine Frau mit Schaum vor dem Mund. Gelegentlich stieß sie spitze, unverständliche Schreie aus, neben ihr lagen verteilt die Scherben einer irdenen Schüssel. Zwei Männer beugten sich über sie und die Umstehenden lärmten durcheinander.
»Der Teufel ist wieder einmal in sie gefahren, gut, dass ihr da seid«, riefen sie aufgeregt.
»Sie hat ein Messer, aber sie hält es so fest in der Hand, dass wir ihr es nicht wegnehmen können«, schnaufte der größere der beiden.
Nider trat näher und hieß die Leute still zu sein. Wortlos betrachtete er die Frau, die mit den Augen rollte, in denen nur das Weiße zu sehen war.
»Sie ist besessen, Ihr seht es selbst. Könnt Ihr der armen Frau nicht den Teufel aus dem Leib treiben?«
»Wer seid Ihr?«
»Ich bin ihre Schwester. Sie hat das schon seit ein paar Jahren und wenn er in sie fährt, bekommt sie beinahe übernatürliche Kräfte. Ein Priester hat schon einmal den Exorzismus gesprochen, aber es hat nichts genützt. Vielleicht könnt Ihres?« Hilfesuchend sah sie ihn an.
Nider beugte sich über die am Boden Liegende und schüttelte dann den Kopf. »Nein, liebe Leute. Hier hilft kein Exorzismus, sondern da muss ein Arzt helfen. Sie hat das Fallende Weh.«
Verständnislos blickten ihn alle an.
»Das hat mit den Körpersäften zu tun«, versuchte er zu erklären. »Zwar hat ein Dämon ihrem Gehirn Schaden zugefügt. Betet für sie und auch sie soll die Kraft des Gebetes nutzen, um die Heilwirkung der Medizin zu stärken und den Dämon von ihr fern zu halten!«
Später saßen sie im Schatten eines großen Baumes und lauschten Nider, der ihnen den Unterschied zwischen Besessenheit und Krankheit des Geistes erklärte. »In der Diözese Bamberg wurde ich in das Haus eines kranken Handwerkers gerufen, der hoffnungslos vom Heil seiner Seele sprach und sich schon wiederholt umbringen wollte. Er führte an, er habe eine kleine Sünde begangen, aber er glaube nicht, dass sie ihm vergeben und er von seiner zwanghaften Vorstellung, sich selbst zu entleiben, geheilt würde. Ich drang auf ihn ein und sagte, es seien
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