Hexenhatz im Monsterland
nachdem er den Schuh verlassen hatte?
In den Büschen hinter mir raschelte es.
»Meister?« rief ich fragend.
Aber es war nicht Ebenezum, der da in unsere Mitte kam, sondern Gottfried Wolf.
»Kann mir jemand von euch neue Auftrittsmöglichkeiten für sprechende Wölfe vermitteln?« fragte er hoffnungsvoll in die Runde.
Ich hatte keine Zeit, seine Frage zu beantworten. Ich blickte auf Ihre Schuhbertschaft hinunter.
»Wo ist mein Meister?«
Ein Wind aus den Tiefen des Winters umwehte uns plötzlich, noch bevor Ihre Winzigkeit mir antworten konnte.
Ich blickte mich um, als ich das vertraute trockene Kichern hörte. Aber warum war er erschienen, wo doch alle meine Gefährten bei mir waren?
Ich blickte in das Antlitz von Tod.
»Seid gegrüßt«, flüsterte das Gespenst, ein Geräusch wie Schnee, der auf die gefrorene Steppe fällt. »Normalerweise spreche ich nie vor einem so großen Publikum – hihi, zumindest nicht vor einem lebenden.«
Norei ergriff meinen Arm. »Was willst du hier?« verlangte sie zu wissen. »Es sind zu viele von uns da. Du kannst Wuntvor jetzt nicht bekommen.«
»Ich will Wuntvor auch nicht – jetzt.« Tod grinste. »Ich habe ein neues Schmuckstück in meinem Reich.« Er hielt inne und starrte mich geradewegs an. »Ein zauberhaftes Schmuckstück.«
»Mein Meister?« würgte ich hervor.
Tod nickte. »Der Zauberer Ebenezum. Ich fand ihn ganz allein im Wald. Aber jetzt ist er nicht mehr allein.«
»Nein!« schrie ich. »Du hattest kein Recht, ihn zu nehmen!«
Das Gespenst zuckte mit den Schultern. »Zugegeben, er war eigentlich noch nicht reif zum Pflücken. Aber Tod nimmt sich, wen er will und wann er will.«
Ich konnte es nicht mehr länger ertragen. Mit einem Wutschrei riß ich mein Schwert aus der Scheide und stürmte auf Tod zu.
Das Gespenst vollführte keine Bewegung, außer daß es die Hände in meine Richtung streckte. Er lachte über meine Wut, ein Geräusch wie Donner über einem Waldbrand.
Ich hielt inne, als mir bewußt wurde, daß ich selbst jetzt nicht die Berührung des Gespenstes riskieren wollte. Mich selbst umzubringen würde meinen Meister auch nicht retten.
»Du zögerst?« höhnte Tod. »Dann können wir verhandeln. Der Zauberer mag vielleicht eines Tages wieder über die Erde wandeln. Ich würde seine Seele unter bestimmten Bedingungen freigeben.«
Tod zeigte mit einem einzelnen knochenweißen Finger auf mich.
»Ich schlage einen Handel vor.«
»Wuntvor! Nein!« rief Norei.
»Oh, ich möchte niemanden zu überstürzten Entscheidungen verleiten«, fügte Tod schnell hinzu. »Ich werde den Ewigen Lehrling in Ruhe über seine Möglichkeiten nachdenken lassen. Wie wir uns gewiß erinnern, hat Tod alle Zeit der Welt. Wenn du bereit bist, Wuntvor, brauchst du nur meinen Namen auszusprechen.«
Die Erscheinung verschwand, und nach einem kurzen Augenblick war auch sein trockenes Gelächter, das noch eine Zeitlang in der Luft gehangen hatte, verhallt.
Ich wandte mich zu den anderen um. Tod hatte meinen Meister. Was sollte ich nur tun?
Meine Gefährten sprudelten alle durcheinander. Norei sah mich an, ihr schönes Gesicht beunruhigt. Sie könnte mir gut eine Frage gestellt haben. Ich weiß es nicht.
Alles, was ich hören konnte, war das Gelächter von Tod, dessen Schrecken in meinen Ohren widerhallten.
Der ewige Lehrling Wuntvor ist arg in der Klemme – der leibhaftige Tod hat seinen Meister gefangengenommen!
TOTENTANZ IM MONSTERLAND
Der dritte humorvolle Roman über Wuntvor, den Aushilfsmagier, erscheint im März 1992 bei Bastei-Lübbe (Band 20175)
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