Hexenjagd in Lerchenbach
blickte zum Haus. Aber dort zeigte sich niemand.
Er zögerte einen Moment. Dann spuckte
er verächtlich auf den Boden. Aber er nahm Rex am Halsband, zerrte ihn zur
Haustür und verschwand dort mit ihm.
„Nichts wie weg!“ flüsterte Karl.
„Nur mit der Ruhe!“ sagte Tarzan. „Wir
sind auf einer öffentlichen Straße. Wenn uns danach ist, können wir hier
stundenlang bleiben.“
Er setzte Oskar auf den Boden, ließ
sich von Gaby die Leine geben und machte ihn fest.
Gabys Gesicht war ganz bleich vor
Schreck, Klößchen, dessen Hose noch nicht ganz getrocknet war, machte eine
grimmige Miene, mehr aber nicht.
Als sie weiterfuhren, wurde Oskar von
seinem Frauchen an der Leine geführt. Tarzan sicherte nach hinten. Aber weder
der Bengel noch sein Hund ließen sich blicken.
Der Zaun, an dem sie entlangradelten,
gehörte zum Jocherschen Hof und zog sich und zog sich: er grenzte einen
riesigen Gemüsegarten ab. Blumen wuchsen hier nicht. Aber Tarzan sah die Blüten
des Unkrauts.
Auf den Gemüsegarten folgte eine Wiese.
Stacheldraht zeigte dann die Trennlinie zur Nachbarin an.
Das große Grundstück, das hier begann —
mit Wiese, Büschen und alten Bäumen, mußte Helgas Scholle sein. Das Häuschen
stand straßennah, dort, wo die Fahrbahn endete und als Feldweg weiterführte. Es
stand recht verloren auf dem großen Besitz. Der reichte — wie die Kinder anhand
der Umzäunung ausmachen konnten — bis zum Waldrand. Hinter dem Haus entdeckte
Tarzan einen beachtlichen Teich: den sogenannten Waldsee. Weiden umstanden ihn,
und im Schilfgürtel brüteten sicherlich Enten. Ein Bootssteg führte ins Wasser.
Am Pfosten war ein morsch aussehender Kahn festgemacht.
Donnerwetter! dachte Tarzan: Ist das
ein Gelände! Hier einen Campingplatz einrichten — und Helga könnte sich vor
Gästen nicht retten. Allerdings — so still wie jetzt ist es schöner. Da kann
die Natur sich entfalten samt allem, was kreucht und fleucht. Wenn das mein
Eigentum wäre, würde ich’s mit allen Mitteln verteidigen.
Sie hielten vor dem Haus. Es war klein,
einstöckig und bescheiden. Eine Garage fehlte. Helgas Kleinauto parkte am
Gartenzaun.
„Was ist denn das?“ rief Karl, der
Computer.
Er war dem Wagen am nächsten.
Aber jetzt sahen auch die andern die
Beschmierung.
Auf den hellen Lack der Tür hatte
jemand mit fetter Farbe das Wort HEXE! gepinselt.
„Sicherlich wieder eine Schikane!“
meinte Tarzan.
„Ist das nicht Sachbeschädigung?“ rief
Gaby.
„Eine gemeine Sachbeschädigung!“ meinte
Klößchen. „Aber wieso Hexe? Hexen reiten meines Wissens auf dem Besen. Aber
Fräulein Götze benutzt doch nachweislich ein Auto zur Fortbewegung.“
Tarzan sah, wie die Haustür geöffnet
wurde. Helga trat auf die Schwelle, lachend und offensichtlich hocherfreut über
den erwarteten Besuch.
„Da seid ihr ja! Willkommen!“
Sie begrüßte die Kinder und auch Oskar,
der ihr bereitwillig die rechte Pfote gab.
„Ihr seid sicherlich erhitzt von der
langen Fahrt. Jetzt gibt es erstmal Limonade und was zu futtern. Kommt rein!“
„Moment noch!“ sagte Tarzan. „Ein
Schmierfink hat ihren Wagen beschriftet. Auf der abgewandten Seite.“
Helgas Lächeln verflog. Sie trat auf
die Straße und sah sich die Schmiererei an. Achselzuckend kam sie zurück.
„Das ist leider nichts neues. Im Dorf
gelte ich als Hexe.“
Gaby machte Kulleraugen. „Das ist doch
ein Scherz?“
„Nein, Gaby. Ich bin als Hexe
verschrien.“
„So als richtige Hexe — mit bösem Blick
und Zauberkräften?“ erkundigte sich Klößchen.
„Ja, als so eine.“
„Toll!“ Klößchen grinste über sein
Mondgesicht. „Ich wollte schon immer mal eine Hexe kennenlernen.“
Tarzan stieß ihn in die Rippen. „Das
ist keineswegs spaßig. Hinter solchen Gerüchten steckt Hetze. Absicht! Wer das
in die Welt setzt, will Rufmord.“
Helga nickte. „Ich habe ja schon
erzählt, wie wohlgelitten ich hier bin. Und weshalb der Bauer Jocher mich mit
seinem Haß verfolgt. Daß er das Gerücht, ich sei eine Hexe, in die Welt gesetzt
hat, kann ich nicht beweisen. Aber wer sonst sollte dahinterstecken? Leider
fällt so ein Unsinn bei diesen Leuten auf fruchtbaren Boden. Wir sind nicht
weit von der Großstadt entfernt. Aber hier gehen die Uhren noch anders — wie im
vorigen Jahrhundert. Hier glaubt man noch an den Teufel. Und damit auch an
Hexen.“
„Aber was, um Himmels willen“, fragte
Gaby entrüstet, „sollen sie denn als Hexe verbrochen haben?“
„Ach, weißt du,
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