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Hexenkatze - Roman

Hexenkatze - Roman

Titel: Hexenkatze - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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war grauenvoll. Der Kater lebte noch. Was das Ganze noch schlimmer machte.
    Sanft deckte die Ärztin das leidende Tier wieder zu und sagte mit nicht zu unterdrückender Erschütterung: »Wir werden ihn einschläfern müssen. Es gibt keine Hoffnung.«
    »Nein, nein!«, schrie die Frau auf. »Nein, Frau Bending! Er hat doch den Weg zu uns geschafft, damit wir ihm helfen. Nicht damit wir ihn umbringen.«
    »Ingrid, beruhige dich! Bitte! Joschi leidet.«
    Micki und ich hatten uns so unscheinbar wie möglich gemacht, aber als die Ärztin zum Medikamentenschrank ging, um die Spritzen vorzubereiten, nahm ich die Hand der verstörten Frau. Sie sah mich überrascht an, Tränen liefen über ihre Wangen. Ich versuchte so sanft wie möglich mit ihr zu reden.
    »Er ist zu Ihnen zurückgekommen. Und dass er doch noch im Kreise derjenigen sterben kann, die ihn lieben, wird sein größter Antrieb gewesen sein.«
    Sie wimmerte unterdrückt auf.
    »Legen Sie Ihre Hand auf seinen Kopf«, bat ich sie leise.
    Sie legte die zitternden Finger zwischen die Ohren des grauen Kartäusers. Er hob millimeterweit seinen runden Kopf und öffnete seine goldenen Augen. Ich stellte mich ganz nahe neben sie, berührte ihre Schulter leicht, holte tief Luft und sah dann in die Augen des sterbenden Tieres. Mitleid und Liebe überschwemmten mich.
    Es herrschte Stille im Raum. Kaum dass man unseren Herzschlag hörte. Vollkommene Ruhe breitete sich aus, unddas Schweigen der Unendlichkeit wurde hörbar. Niemand bewegte sich. Niemand atmete. Und doch floss etwas zu uns herüber, spürbar, wie ein zartes Wehen. Die goldenen Augen erkannten die geliebten Menschen, dann etwas anderes, etwas Fernes vielleicht. Ruhe war darin. Und Hoffnung. Dann erlosch der Funke in ihm. Der graue Kopf sank auf die wunden Pfoten.
    Die Frau nahm die Hand von dem Kater und umklammerte meine Schultern. Aber sie schluchzte nicht mehr so krampfhaft, sie weinte.
    »Den ganzen Weg … Auf den verbrannten Pfoten. Wie muss er uns geliebt haben.«
    »Nicht weniger als Sie ihn auch.«
    Ich drehte die Frau ein wenig zur Seite, damit sie nicht sehen musste, wie die Ärztin den Kater untersuchte. Die tödliche Spritze hatte sie nicht aufgezogen.
    »Glauben Sie wirklich, dass wir uns wiedersehen?«, flüsterte sie.
    »Ja, das glaube ich wirklich. Jenseits von Zeit und Raum bleibt die Liebe. Und die verbindet Sie.«
    Ich führte sie langsam hinaus ins Wartezimmer. Die beiden Frauen dort behielten ein mitfühlendes Schweigen bei, als sie sich setzte.
    »Danke«, sagte sie, als ich mich erhob, um dem Mann Platz zu machen, den Micki hereinführte. Ich ging noch einmal in das Behandlungszimmer zurück und schloss die Türhinter mir. Ich war mir nicht sicher, ob ich irgendetwas erklären musste.
    »Das ist die dritte Katze in diesem Monat«, fauchte Frau Dr. Bending. »Und wer weiß, wie viele ich nicht zu sehen bekomme! Verdammt noch mal, kein Mensch weiß, wer diese entsetzlichen Verbrecher sind. Ich hasse es schon, wenn Tiere leiden müssen, weil sie krank sind. Aber das hier ist der Gipfel der Unmenschlichkeit.«
    »Ja. Wahrhaftig. Ich habe schon in der Zeitung davon gelesen, darum wollte ich, dass unsere Katze einen Chip oder wenigstens eine Kennzeichnung bekommt. Aber dieser Kater hier hat auch eine Nummer in den Ohren.«
    »Das ist denen völlig gleichgültig. Die sind skrupellose Tierschänder. Sie, ich weiß nicht, welchen Einfluss Sie da eben auf die Frau oder den Kater hatten. Aber wenn das irgendwie auch noch in Ihrer Macht steht, Frau McMillen, finden Sie diese Ungeheuer!«
    Ich nickte. Aber sehr zuversichtlich war ich nicht.
    »Oh, und vielen Dank für Ihre Hilfe. Es … es fällt mir immer schwer, ein Tier einzuschläfern. So sehr es auch leidet. Die Entscheidung über Leben und Tod ist nicht leicht zu treffen.«
    »Nein, für uns ist sie das nicht.«
    »Kommen Sie mit Ihrer Katze bitte nächste Woche noch einmal vorbei. Ich will jetzt hier Schluss machen.«
    Auch die Ärztin wirkte mitgenommen.
    Als ich zurück in den Warteraum ging, saß nur noch Micki in der Ecke. Ein kaum wiederzuerkennendes, zitterndes Häufchen Mensch. Und mir wurde kalt vor Schreck.
    »Was ist, Micki. Micki, hörst du mich?«
    »Ja, Mam.« Ganz leise kam die Antwort.
    »Was ist mit dir? Wie fühlst du dich?«
    »Leer. Ganz leer. Ich habe alles dem Mann gegeben. Alle Kraft.«
    Ich seufzte erleichtert auf. Das konnte schnell repariert werden. Viel schneller als das Grauen, das nachher noch einsetzen würde. Ich

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