Hexenkatze - Roman
Unschuld.
»Rüdiger baggert jedes weibliche Wesen an. Und ich persönlich finde ihn höchst geschmacklos. Sowohl in Aussehen als auch in Auftreten.«
»Ja? Ich finde ihn interessant. Aber seine Freundin ist ein bisschen komisch.«
»Freundin?«
»Ja, so ein magerer Stängel mit blonden Flusen auf dem Kopf.«
»Oh, Sonja. Ich bezweifle, dass er sie als seine Freundin betrachtet.«
»Ja, kann sein. Aber sie schleimt hinter ihm her.«
Eine gute Beobachtungsgabe hatte Micki ja.
So gut, dass sie auch das bemerkte, was ich in der Dunkelheit übersehen hätte, als wir über den Parkplatz zum Auto gingen.
»Guck mal, da steht ja Xenia. Trainiert die auch hier?«
»Die? Nicht dass ich wüsste. Muss wohl Zufall sein, dass sie hier herumlungert«, antwortete ich. Und dachte mir, dass es wohl eher etwas mit Rüdiger zu tun hatte. Aber alles aus der Welt der Erwachsenen brauchte Micki nicht zu wissen.
Wir unterhielten uns zu Hause noch ein Weilchen über Klatsch und Tratsch, dann schickte ich Micki schlafen, las noch eine Stunde und ging dann auch zu Bett. Der Schlaf traf mich wie ein Keulenschlag.
Ein halber Mond leuchtete silbern zwischen stürmisch schwarzen Wolken, die wie Fetzen schwarzen Samtes sich über dem Horizont ballten. Sein bleicher Schimmer entlockte dem Kelch aus geschliffenem Kristall Funken von Licht, die den leuchtend roten Wein zum Glühen brachten. Durchsichtig bis an den Grund spiegelten sich Helle und Dunkelheit in dem Gefäß.
Lautlos schlich das schwarze Tier herbei, die Zunge geifernd zwischen den Hauern in den grausamen Kiefern. Leise schnüffelnd nahm es die Witterung auf, umkreiste geduckt den glänzenden Kelch. Und als es sich über den gläsernen Rand beugte, verhüllten die Wolken den Mond. Das Tier beugte sein Haupt und stemmte die krallenbewehrten Tatzen in den Boden.
Mit mächtigen Zungenschlägen stillte es seinen Durst, bis der Kelch beinahe bis zum Grund geleert war. Dann leckte es sich die schwarzen Lefzen. Die gelblich glimmenden Augen halb geschlossen, grollte ein tiefer Ton in seiner Kehle.
Und als es sich schwerfällig zum Gehen wandte, war der Kristallkelch undurchsichtig geworden. Kein Sternenblinzeln, kein Mondlichtstrahl drang mehr durch die milchigtrübe Wandung.
Und erst als der dunkle Regen fiel und den Kelch füllte, kehrte seine gläserne Schönheit wieder.
Als die aufgehende Sonne sich in dem funkelnden Glas mit rotem Blitzen brach, war es, als sei nichts geschehen.
»Uuu … uuua.«
Wer stöhnte da?
War das ich?
Ganz langsam kam ich zu mir. Es war dunkel im Schlafzimmer, der Regen schlug an das Fenster. Ich lag regungslos, frierend und starr unter meinen Decken. Irgendetwas stimmte nicht. Ich versuchte mich zu erinnern. Da war ein Traum, Teile davon musste ich erhaschen, bevor sie sich verflüchtigten. Ich wusste, er war wichtig. Was war es? Etwas Angsterregendes, etwas, dass mich aussaugte. Wein … Mond … eine Schreckgestalt …
Je mehr ich mich zu konzentrieren versuchte, desto mehr entfloh es mir. Aber eines war gewiss – da gab es etwas, das Einfluss über mich gewonnen hatte.
Der Wecker schrillte. Mit einem Ruck war ich wieder in der Alltäglichkeit. So ein Quatsch, da träumte ich mal ein softes Horrorszenario, und schon bildete ich mir ein, das Opfer dunkler Mächte geworden zu sein. Mach halblang, Deborah! mahnte ich mich und stand auf.
Wahrscheinlich hatte das trübselige Wetter mir derart morbide Gedanken eingegeben.
Das Wetter verschlechterte sich sogar noch im Laufe des Tages, und am Nachmittag goss es in Strömen.
»Mam …?«, klang es von unten in mein Arbeitszimmer, wo ich mit einer verzwickten Passage rang.
»Was ist, Micki? Ich habe zu arbeiten.«
Füßetrappeln, Micki stand vor dem Schreibtisch.
»Entschuldigung, aber in mein Zimmer regnet es rein. Am Fenster.«
»Ach du Sch …«
»Sag’s nicht. Ist ein schlechtes Beispiel für die gepflegte Konversation am Nachmittag.«
»Schön, dass du es mit Humor nehmen kannst. Ich finde das nicht lustig.«
Missmutig folgte ich ihr in die Etage darunter. Richtig, der Wind drückte einen breiten Wasserschleier gegen die Scheibe; der verzogene Fensterrahmen hatte dem nichts entgegenzusetzen. Micki hatte schon zwei Wischtücher auf die Fensterbank gelegt, aber das half wenig.
»Das war doch früher nicht, Mam. Wo kommt denn das her?«
»Es hat bislang auch nicht dermaßen geregnet. Hast du mal in meinem Zimmer nachgesehen, ob es da auch reinregnet?«
Micki drehte sich
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