Hexenkatze - Roman
schleppte Micki und den Katzenkorb zum Auto und fuhr schnellsten zu »La Strega«, das Lokal lag wenigstens gleich auf dem Weg.
Sie hatten gerade aufgemacht, und ich bugsierte die zittrige, blasse Micki sofort in Richtung Küche, wo die Mamma hantierte.
»Spaghetti. Und wenn möglich mit Pesto. Wir haben hier ein kleines Problem.«
»Ich sehe.«
Die Mamma heißt nicht umsonst La Strega. Sie sah.
Die Nudeln und das Basilikum halfen Micki schnell wieder auf die Beine. Und auch mir tat die üppige Portion gut, die Mamma mir auf den Teller gehäuft hatte. Zwischen den einzelnen Happen berichtete ich ihr kurz, was geschehen war.
»So, es gibt böse Menschen! Katzen quälen! Gut, dass du geholfen hast, Deba.«
»Ich weiß nicht, ob ich geholfen habe.« Ich schüttelte den Kopf, noch immer nicht ganz sicher, was eigentlich geschehen war.
»Du hast dem Kater geholfen zu sterben.«
»Meinst du? Das kann ich doch gar nicht.«
»Ich glaube doch. Man kann geben und nehmen. Denk darüber nach.«
Micki beobachtete uns mit großen Augen, aber Mamma hatte sich wieder ihrem Herd zugewandt, denn Francesco kam mit einer Liste Bestellungen in die Küche.
»Freia ist noch im Auto. Wir sollten allmählich gehen,« meinte ich zu unserer Wirtin. Und als ich unser Essen bezahlen wollte, winkte Mamma unwirsch ab. Mit einer großzügigen Handbewegung wedelte sie uns hinaus, ganz mit der Zubereitung der Mahlzeiten beschäftigt.
Freia in ihrem Transportkorb begrüßte uns mit einem zornigen Gejaule, und ein unangenehmer Geruch machte sich im Auto breit.
Schweigend fuhren wir nach Hause, die Fenster weit offen. Erst als wir zusammen in der Küche saßen und zusahen, wie die kleinen Kätzchen sich wieder glücklich in das Mutterfell kuschelten, sprachen wir über das Geschehene.
»Mam, das ist ja grauenvoll. Wer macht so was? Warum passieren solche Sachen? Wie können Menschen so grausam sein?«
»Ja, Micki. Die Fragen stelle ich mir auch. Ich kann dir dasnicht beantworten. Es gibt wohl so kranke Geschöpfe, die sich am Leid eines anderen Lebewesens erfreuen. Oder die gerne Herr über Leben und Tod spielen. Es gibt ihnen ein perverses Gefühl der Macht.«
»Ist man damit wirklich mächtig? Ich meine, wenn ich ein Tier quäle, das sich nicht wehren kann, bin ich doch nicht mächtig? Eher, wenn ich ein gefährliches Tier besiege. Einen Tiger, nicht eine Katze.«
»Guter Vergleich, Micki. Aber diejenigen, die nicht den Mut haben, einem Tiger gegenüberzutreten, brauchen wohl diese billige Variante der Macht.«
»Also Feiglinge!«
»Vermutlich.«
»Andererseits hast auch du den Kater sterben lassen.«
»Habe ich wohl. Aber glaub mir, glücklich bin ich deswegen nicht. Lieber wäre es mir, wenn ich die Kraft gehabt hätte, ihn wieder gesund zu machen. Ich habe das nicht willentlich getan, Micki.«
»Machst du ja auch nicht, wenn du dich ärgerst. Ich meine, das mit den Mülleimern und den Sicherungen und so.«
»Du bist viel zu schlau für mich, meine Tochter.«
»Ich bin eben deine Tochter. Und jetzt würde ich gerne ein bisschen alleine sein, Mam.«
»Verstehe ich.«
Ich wollte auch etwas alleine sein und nachdenken. Darum ging ich in unser Wohnzimmer und setzte mich inden Sessel, um eine Weile in das beruhigende Grün des Gartens zu schauen. Seit mir klar geworden war, dass ich die Fähigkeit hatte, die Dinge und Abläufe in meiner Umgebung zu beeinflussen, hatte ich mich bemüht, so wenig wie möglich davon Gebrauch zu machen. Ich war vielleicht so alt wie Micki jetzt, ein bisschen jünger sogar, als ich merkte, dass meine Wünsche sich häufiger als bei anderen anfingen zu erfüllen. Und zu meinem Glück hatte ich eine Mutter, die das nicht nur bemerkte, sondern auch verstand. Sie gab mir ein paar wertvolle Ratschläge dazu, die ich bislang immer beherzigt hatte. Ihr wichtigster Hinweis war, dass ich mir jedes Mal, wenn ich mir etwas wünschte, sehr gut die Folgen für andere überlegen solle.
»Schau, du möchtest in den Sommerferien jeden Tag an den Badesee. Die Sonne scheint also ununterbrochen sechs Wochen, und am Ende ist das Wasser im Badesee schlammig und der Pegel gesunken. Ganz abgesehen von den Fischen, die sterben, und den Pflanzen, die vertrocknen.«
Ich wollte nicht schuld sein am Leid anderer, darum hatte ich so wenig wie möglich Gebrauch von meiner Fähigkeit gemacht. Und wenn, dann immer nur nach reiflicher Überlegung. Später dann hatte mich der Zufall mit ein paar Leuten zusammengeführt, die
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