Hexenkatze - Roman
Amulett meiner Mutter glitt zwischen meine Finger.
Und das Tier suchte mich weiter.
Doch dann verdunkelte sich der Himmel, und das Ungeheuer schien auf mich hinabfahren zu wollen.
Durch die Dunkelheit um mich herum hörte ich Xenias irres Gelächter.
Dann hörte ich nichts mehr, sah nichts mehr, fühlte nichts mehr. Ich war eingefangen in einem lähmenden schwarzen Kokon. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte mich nicht wehren, war den finsteren Mächten hilflos ausgeliefert. Und das Grauen kroch wie klebrige Kälte über meinen Körper. Die Angst wurde Realität.
Und so, blind und orientierungslos, nahm ich zu meinen eisigen Füßen eine sanfte Wärme wahr, ein Streicheln wie von Katzenfell. Ich klammerte mich daran mit den schwachen Fädchen meines verrinnenden Geistes. Die Fäden verstärkten sich, wurden fester. Sie verbanden mich mit einer Welt jenseits meines Körpers. Ich spürte einen fernen Rhythmus in meinem Blut, eine tonlose Melodie, die einen wirbelnden Tanz begleitete. Ich konnte wieder fühlen. Ich fühlte, dass Micki hinter mir stand und mir ihre Liebe sandte. Ich fühlte, dass Alex ganz nahe war, auch er voll besorgter Liebe. Ich spürte sogar die Gegenwart der beiden Kätzchen und ihrer Mutter, die hier begraben lag. Und durch die Dunkelheit hindurch überflutete mich eine gewaltige Liebe, die ich ihnen allen zu geben hatte. Meiner Tochter, Alex, den kleinen, unschuldigen Kreaturen, der alten Streunerin, dieser Welt, in der die Dunkelheit keinen Raum gewinnen sollte. Ja, und auch Xenia, dem irregeleiteten Opfer.
Der Wind heulte, zerrte an meinem Gewand. Er stimmte in den wilden Tanz ein. Und in meinen krallenbewehrten Tatzen wanden sich die schwarzen Dämonen; giftige Insekten, scharfschnabelige Vögel, reißende Tiere und das namenlose Ungeheuer hauchten ihr böses Leben aus. Ihre schrecklichen Fratzen wurden zerrissen, sie wurden zum schattenlosen Nichts.
Von den kalten Fesseln befreit, breitete ich die Arme weit aus.
Noch konnte ich nicht klar sehen, doch in einem Strudelaus Sternenstaub formte sich vor meinen verschleierten Augen die katzenköpfige Göttin. Ihr Gesicht wurde klarer, leuchtender. Es war golden, und sie lächelte. Sie kam näher und näher, wurde größer und größer und schien mit mir verschmelzen zu wollen.
Ohne dass ich es wollte, sprach ich die Worte, in einer Stimme, die mich selbst in Staunen versetzte.
»Sehet her! Ich bin die Hüterin des Lebens. Ich schenke euch Frieden und Freiheit und lege Freude in eure Herzen. Ich verlange kein Blut, noch fordere ich Opfer! Denn ich bin der Kelch des Lebens, und meine Liebe ergießt sich über alle Welt!«
Die darauffolgende Stille war unendlich. Ich konnte wieder sehen, schärfer und deutlicher als zuvor, als ob meine Augen die Nacht durchdringen wollten. Xenia war auf die Knie gesunken und hielt die Hände vor ihr Gesicht geschlagen. Misty krabbelte aus dem aufgesprungenen Korb durch das Gras auf Micki zu.
Noch immer in einem Bann der Unwirklichkeit machte ich einen Schritt auf Xenia zu. Sie wimmerte, sank noch mehr in sich zusammen und verschränkte schützend die Arme über ihrem Kopf, ebenso wie ich mich auch vor ihr hatte schützen wollen.
»Xenia, du brauchst keine Angst zu haben. Es ist vorbei. Komm, lass mich dir helfen aufzustehen.«
Ungläubig sah sie mich an, dann weiteten sich ihre Augenvor Staunen. Seltsam willig ließ sie sich hochziehen, und ich stützte sie, hielt sie einen Moment an mich gedrückt.
»Es ist kalt in dieser Nacht, Xenia. Lass uns ins Warme gehen. In die Helligkeit.«
Ich führte sie langsam zu unserem Haus und ließ sie auf dem Sofa Platz nehmen. Micki, die kluge Micki zündete weiße Kerzen an, und ich wickelte die Schmusedecke der Katzen um Xenia.
Irgendwoher wuselten die beiden Kleinen dann auch herbei und sprangen prompt auf ihren Schoß. Gedankenverloren streichelte Xenia die Pelzchen, bis sie schnurrten.
Katzen verzeihen schnell.
Ich hatte Micki ein Zeichen gegeben, und sie verschwand in der Küche. Sie würde Tee kochen.
Alex stand, noch immer in Jeans und Sweatshirt, wie er mich verlassen hatte, an die Schiebetür zum Garten gelehnt. Er hatte wohl noch gearbeitet.
»Komm bitte auch rein, Alex. Und mach die Tür zu. Es ist so kalt draußen.«
Er nickte und kam dann zu Xenia und mir. Sanft strich er seiner Schwester über die schwarzen Locken.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Xenia?«
»Nein. Nein, es ist nicht alles in Ordnung. Aber viel mehr als vor kurzem noch.«
Micki
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