Hexenlicht
schaffte ihre eigene Klarheit, eine eigenartige Ruhe, die Alessandros Sinne von allem anderen Ballast befreite. Der Wächter hieb zu. Alessandro wich dem Schlag aus, drehte sich um und holte nun seinerseits aus. Seine Klinge glitt vom Brustpanzer auf den nackten Arm des Mannes. Blutgeruch stieg in die Luft, streng und scharf.
Gleich darauf wurde der Kampf erbitterter. Der Wächter schlug in schneller Folge zu, so dass Alessandro nur noch parieren konnte und gezwungen war, ein paar Schritte zurückzuspringen. Die enorme Kraft seines Gegners erstaunte ihn. Er duckte sich unter dem sirrenden Metall, versuchte, die Verteidigung des anderen zu durchbrechen, wurde jedoch ein ums andere Mal abgeblockt.
Wieder schwang der Wächter seine Klinge in einem zornigen Hieb, der Alessandro noch weiter rückwärtstrieb. Dann bückte sein Gegner sich hinter einen Fahrradständer, schnappte sich
Das Buch der Lügen
und jagte über den Rasen.
Alessandro preschte ihm nach. Als der Wächter sich einem der Wohnheime näherte, tauchten aus dem Nichts vier Fehlwandler auf, die ihm entgegenstürmten. Knurrend und fauchend stürzten sie sich auf den Wächter, der sie sich vom Hals hielt wie ein Hund, der sich Wasser aus dem Fell schüttelte, und einem Fehlwandler das Genick brach. Dazu musste er allerdings beide Hände einsetzen.
Also ließ er das Buch fallen.
Alessandro war sofort zur Stelle, teilte einen der Fehlwandler mitten durch, doch ein anderer schlich sich von hinten an ihn heran und wartete, bis Alessandro seine Arme hob, um ihm ein Silbermesser in die Rippen zu rammen.
Der Schmerz fuhr ihm bis unter die Schädeldecke, als das Silber ihn innerlich verätzte. Für einen Moment wurde Alessandro schwarz vor Augen, und fluchend sackte er auf die Knie.
Sein Atem stockte. Er packte den Messerknauf und zog, worauf ein Blutschwall aus der Wunde schoss. Schlagartig brach Alessandro kalter Schweiß aus, und ihm wurde schlecht. Er würgte ins Gras und rang nach Luft. Ein kleines Stück höher, und die Klinge hätte sein Herz durchbohrt.
Die beiden überlebenden Fehlwandler humpelten mit dem Buch davon, gefolgt von dem Wächter. Alles war binnen einer Minute vorbei.
Mühsam kam Alessandro wieder auf die Beine. Er fühlte sich wie gesprungenes Glas, in dem sich ein gleißend brennender Riss vom Zentrum aus in sämtliche Richtungen erstreckte. Blut pulsierte aus der Wunde, mit dem Alessandro wertvolle Kraft verloren ging. Wenn er Hilfe bekam, würde er sich wieder erholen, aber eine Silberklinge hatte ihn verletzt, was bedeutete, dass die Heilung nur langsam vonstatten ginge.
»Eins zu null für die Bösen.« Macmillan schlenderte in Alessandros Sichtfeld, aus heiterem Himmel. Alessandro sprang auf ihn zu, doch Macmillan tänzelte beiseite und lachte hämisch. »Hey, du magst ja fix sein, aber ich bin so gut wie nicht hier.«
Alessandro hielt sich die Wunde an seiner Seite und spürte, wie ihm Blut durch die Finger sickerte. »Was willst du?«
Macmillan winkte ab. Er sah wirklich seltsam durchsichtig aus, sogar in der Dunkelheit. »Nichts, was der tätowierte Blödmann nicht schon erledigt hätte. Wir haben das Buch, und der Schwertführer der Königin ist außerhalb der Feindeslinien verletzt. Für heute Nacht bin ich so gut wie fertig. Nach Jahren, in denen ich hinter Kriminellen hergeputzt habe, ist es gar nicht so übel, zur Abwechslung mal auf der Gewinnerseite zu stehen. Im Grunde bin ich nur hier, um mich in Schadenfreude zu weiden.«
»Ihr habt noch nicht gewonnen.«
»Ach, vergiss es, Vampir! Ihr habt nicht die geringste Chance, diese Nummer in einen Sieg für euch zu verwandeln.« Der Detective kehrte Alessandro den Rücken zu und wollte anscheinend weggehen.
»Ist es so, ja? Hat Geneva deine ganze Seele gefressen?«
»Was? Willst du jetzt auf Kumpel machen, damit alles wieder gut wird?« Macmillan sah sich zu ihm um, und das Entsetzen in seinen Augen strafte seine gelassenen Worte Lügen. »Das Schlimmste daran ist, Caravelli, dass ich mit jeder Minute, die vergeht, ein weiteres Stück von dem verliere, was mich menschlich gemacht hat. Es ist nichts mehr übrig außer dem Impuls, mich zu nähren. Dank dem, zu dem du betest, dass Vampire nicht wie Essen riechen.«
Macmillan hielt seine Hände in die Höhe. Die Lichter des Wohnheims schienen durch sie hindurch. »Wie du siehst, habe ich seit ein paar Stunden nichts mehr gegessen. Lange mache ich’s nicht mehr. Sie sagt, dass es einfacher wird, je länger man ein Dämon
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