Hexenlicht
Großteil ihrer Magie vom Vorgarten aus ab, wo das Haus nicht an sie herankam. Die Kraft floss geschmeidig und elegant. Das Schwierigste für Holly war, die Schreie des Hauses aus ihrem Geist zu verbannen. Wahnsinnig und böse, wie es war, war es immer noch bei Bewusstsein.
Doch leider war Feuer die einzig sichere Methode, das halboffene Portal zu sprengen. Feuer störte den Energiefluss, war aber auch sehr auffällig. Deshalb wirkte Holly einen Blendzauber, der verbarg, dass hier ein Haus lichterloh brannte. Zugleich installierte sie Schutzzauber, um die Flammen unter Kontrolle zu halten. So bestand der einzige Hinweis auf das Feuer in leichtem Rauchgeruch, den Holly anscheinend nicht ganz abschirmen konnte. Wenn die Nachbarn morgen früh aufwachten, würden sie nur noch einen leeren Bauplatz und einen Haufen Asche sehen.
Ben stand stumm neben ihr. Offenbar hatte er jeden Ansporn verloren, sich zu bewegen. Er starrte einfach nur vor sich hin. Zumindest glaubte Holly das, bis sie bemerkte, dass er auf etwas weiter hinten in der Straße sah. Und auf einmal nahm sein Gesicht eine interessante Weißfärbung an.
Sie drehte sich um.
Werwölfe.
Sie strömten in einem stillen pelzigen Schwarm die Straße entlang, dunkle Schatten, die nur hier und da von glühenden Jagdtieraugen durchbrochen wurden. Muskulöse Läufe arbeiteten, als sie mit einer fließenden Geschwindigkeit rannten, die etwas Albtraumhaftes hatte. Die Wölfe waren groß und schmal, ihre Beine fast zierlich. Ihre dicken Pelze waren zumeist grau, doch es gab auch einige schwarze und hellbraune, schokobraune und weiße. Sie alle hatten leuchtend rote Zungen und buschige Schwänze – nicht zu vergessen die gefährlich blitzenden weißen Zähne. Als sie Holly und Ben erreichten, blieben sie wie auf Kommando stehen, unheimlich lautlos. Einzig ihr hechelnder Atem bestätigte, dass sie mehr als ein Traum waren.
Einer von ihnen kam mit leise klackernden Krallen auf Holly zu. Ein grauer Werwolf. Ein Männchen. Es war nicht das größte Tier, aber eindeutig der Anführer. Er setzte sich und stellte die Ohren auf.
»Wir haben einen Gefangenen«, erklärte Holly.
Mit wölfischem Grinsen ließ Perry seine gelben Augen über Ben wandern.
[home]
29
M it den Wölfen zu laufen, sprengte den Rahmen von Hollys üblichem Fitnessprogramm. Es war ungefähr so, wie zum Bus zu sprinten, nur dass es ewig dauerte. Nein, sie konnte schlicht nicht mithalten.
Nach ein paar Blocks und einem kurzen Hundekriegsrat teilte das Rudel sich in drei Gruppen. Die größte lief voraus. Eine andere eskortierte Ben in die entgegengesetzte Richtung. Holly vermutete, dass sie Ben in einen metaphorischen Hundezwinger sperren würden – oder einen echten. Perry und eine Handvoll andere Werwölfe blieben bei Holly. Im gemäßigten Trott begleiteten sie sie zu Königin Omara.
Ihr Weg führte sie auf den Hauptteil des Campus zurück. Alles schien unwirklich. Holly war kürzlich erst hier gewesen und hatte in ihren Kursen gesessen, aber diesen Teil des Geländes kannte sie überhaupt nicht. Sie versuchte, sich halbwegs zu orientieren. Hinter ihr lag das Gebäude der kunst- und geisteswissenschaftlichen Fakultät, weiter vorn die Grünfläche mit den Wohnheimen zu beiden Seiten. Die Wölfe führten sie zu einem kleinen Spielfeld am Südende. Dort hatte Königin Omara ihre Zentrale eingerichtet.
Lange bevor sie dort ankamen, mussten sie anhalten. Die Wölfe und Hunde hatten den gesamten Bereich abgesperrt und Posten aufgestellt, die Holly und ihre Eskorte intensiv beschnüffelten, ehe sie weitergehen durften. Ihr war die kurze Pause sehr recht. Sie stützte die Hände auf ihre Knie und japste nach Luft. Außerdem hatte sie fiese Seitenstiche. Perry stupste sie mit seiner Nase an.
»Moment noch!«, keuchte Holly und richtete sich wieder auf. »Ich bin schließlich nicht im Training für den Ironman.«
Perry stupste sie nochmals an und gab ein leises Hundewimmern von sich. Erst jetzt richtete Holly ihre Aufmerksamkeit von ihrer schmerzenden Lunge auf ihre Umgebung und machte sich auf, weiterzugehen. Die blassen Untoten schritten nahe den Torpfosten auf und ab, so dass die Szene wie eine avantgardistische Spielübertragung anmutete, nur eben ohne Farben und vor allem ohne Sprecher.
Der Unheimlichkeitsquotient schnellte in die Höhe. Die Vampire schienen bereits in Kampfstimmung, bewegten sich mit der Eleganz von Raubtieren, bildeten kleinere Gruppen im Schatten, um sich zu unterhalten, hier-
Weitere Kostenlose Bücher